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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Frauen entwickelte, bereits als Freundschaft zu bezeichnen, denn für sie hatte der Begriff einen sehr hohen Stellenwert. Allerdings durfte sie auch nicht jede derartige Beziehung an ihren Gefühlen für Derbil messen, denn schließlich hatte Tarana beinahe ihr gesamtes Leben mit ihrer Stammesschwester verbracht, und eine solche geschwisterliche Zuneigung zu einem Menschen würde es nach Derbils Tod nie wieder geben. Von daher schuldete sie Daia auch ein gewisses Maß an Offenheit, zumal sie sich selbst eingestehen musste, dass dringend wieder jemand in ihrem Leben vonnöten war, mit dem sie bedenkenlos Kummer und Sorgen teilen konnte, ohne dass dieser sie gleich für schwach hielt. Aber in ihrer augenblicklichen körperlichen und geistigen Verfassung schien das einfach nicht möglich.
    Während sie verbissen versuchte, ihren rebellischen Magen zur Ruhe zu bringen, beobachtete sie die still in einer Ecke spielende Thalia. Mittlerweile hatten sich zu den hölzernen Spielfiguren des Mädchens dank Eringars unermüdlicher Schnitzarbeit noch eine Reihe weiterer Tiere und Gebäude hinzugesellt. Das Mädchen beschäftigte sich oft stundenlang mit diesem kleinen Bauernhof, sodass man beinahe vergessen konnte, dass sie sich ebenfalls im Zimmer aufhielt. Dies war für eine Vierjährige, wie die Istanoit sehr wohl von den Kindern ihres Stammes wusste, sehr ungewöhnlich. Als Taranas Gedanken gerade dabei waren, weiter in die heimatliche Steppe der Istaebene abzuschweifen, richtete Thalia ihre Augen plötzlich aufmerksam auf die geschlossene Zimmertür. Tarana, die die rasche Kopfbewegung ihres Schützlings bemerkt hatte, folgte erstaunt Thalias Blick, konnte dort jedoch nichts Besonderes erkennen. Im nächsten Moment klopfte es.
    Irritiert sah Tarana ihrem Pflegekind dabei zu, wie es nun ganz selbstverständlich zur Tür hinüberging und diese öffnete. Draußen stand Eringar, der sich bei Thalias Anblick sofort auf die Knie herabließ und ihr freudestrahlend sein neustes Schnitzwerk präsentierte. »Hallo, kleine Thalia«, sprach er das Mädchen in einem sanften Tonfall an, »hier habe ich dir noch zwei Gänse gemacht, die gehören zu einem richtigen Bauernhof unbedingt dazu. Ich hoffe, die gefallen dir.«
    Mit kritischer Miene betrachtete Thalia die beiden hölzernen Neuankömmlinge. Schließlich schien sie diese für vertrauenswürdig genug zu befinden, um in ihre Spielwelt aufgenommen zu werden. Einen kurzen Moment schenkte sie Eringar einen tiefen Blick aus ihren kreisrunden Augen, dann wandte sie sich um und kehrte in ihre Ecke zurück, wo sie dem geschnitzten Federvieh einen Platz im Stall des Bauernhofs zuwies.
    Eringar stand auf und wandte sich an Tarana. »Thalia ist wirklich süß«, stellte er verzückt fest, »wenn sie auch nicht gerade fröhlich wirkt. Hat sie schon etwas gesagt?«
    »Nein«, antwortete die Istanoit abwesend, da ihre Gedanken immer noch um Thalias rätselhaftes Verhalten kreisten. Hatte sie etwa Eringars Schritte durch die Tür hören können? Angesichts der massiven Holztür hielt sie dies für sehr unwahrscheinlich. Aber wie hatte Thalia dann wissen können, dass jemand vor der Tür stand?
    Eringar blickte unsicher über seine Schulter, als warte er noch auf jemanden, dann räusperte er sich voller Unbehagen. »Also, ich will nicht lange herumreden. Ich weiß von Daia, in was für besonderen Umständen du bist und dass sie deshalb nicht wagt, dich etwas zu fragen, ohne vorher deine Laune zu prüfen. Aus diesem Grund hat sie mich vorgeschickt. Sie steht derweilen draußen im Gang und lauscht.«
    »Eringar!«, ertönte ein zorniger Ruf vom Flur her. Gleich darauf erschien Daia mit hochrotem Kopf in der Tür. »Du bist ein Ekel.«
    »Ich habe dir gleich gesagt, dass ich kein guter Lügner bin«, verteidigte sich dieser lauthals. »Aber du hast so lange an deinen hübschen Löckchen herumgespielt und mich mit deinen Unschuldsaugen beklimpert, dass ich nicht mehr ablehnen konnte.«
    Daia warf ihm einen vernichtenden Blick zu und näherte sich dann beschwichtigend Tarana. »Hör nicht auf das, was dieser Wüstenlurch von sich gibt«, meinte sie mit ihrem sonnigsten Lächeln, »ich wollte nur vermeiden, dass wir dich gleich zu zweit überfallen. Eringar sollte erst einmal sein Geschenk loswerden und dann …«
    »Seid mir nicht böse«, wurde sie von Tarana unterbrochen, »aber ihr verhaltet euch reichlich merkwürdig. Bin ich denn wirklich so schlimm, dass ihr euch nicht mehr ohne Vorwand in mein

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