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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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freudiger Überraschung weiteten.
    »Meine Brüder«, sprach er die Umstehenden an, »werdet Zeuge eines weiteren Wunders unseres Herrn. Diesen Frevler, der es wagte, sich unrechtmäßig als einer der Unseren auszugeben, und der die Frechheit besaß, sich mir zu widersetzen, hat uns Xelos in seiner unfehlbaren Gerechtigkeit wieder zugeführt, auf dass wir ihn nach seinem Willen richten. Dies ist eine weitere Möglichkeit, Xelos’ Wohlgefallen zu erringen und uns als würdig zu erweisen. Deshalb verzagt nicht, der Herr der ewigen Flamme ist mit uns und die Bestrafung dieses Frevlers und seines zweifelsohne nicht weniger sündhaften Gefährten wird uns Xelos’ Gunst sichern. Packt sie und nehmt sie mit zu den heiligen Hallen des Feuers!«
    Damit sammelten sich die Fackelträger hinter ihrem Anführer und marschierten los in Richtung des östlichen Stolleneingangs, der schräg gegenüber von dem Tunnel lag, dem Rai zu seinem früheren Schlag hatte folgen müssen. Nachdem einer ihrer Bewacher Nessalions immer noch brennende Öllampe aufgehoben hatte, wurden beiden Gefangenen die Arme gewaltsam auf den Rücken gedreht und, flankiert von jeweils zwei Xeliten, mussten sie losmarschieren. Wiederum war Rai sein Schicksal aus den Händen geglitten wie ein schlüpfriger Fisch. Er hatte keinerlei Hoffnung mehr, dass er auch ein zweites Mal die Tiefen des Bergwerks von Andobras lebend verlassen würde.

 
DER ERSTE KÖNIGSRAT
     
    N ach dem Verzehr eines mehrere Tage alten Fisches hätte Tarana sich kaum elender fühlen können. Ihre Wunden an Hand und Brust, die sie bei dem Überfall auf die Kriegerschule erlitten hatte, verheilten gut und bereiteten ihr kaum noch Schmerzen. Stattdessen hing sie aber bereits den ganzen Morgen mit dem Kopfüber der Waschschüssel oder hockte zusammengekrümmt auf ihrem Bett, unfähig, etwas Vernünftiges anzufangen. Wenn sie noch irgendwelche Zweifel gehegt hatte, dass sie ein Kind erwartete, dann waren diese nun endgültig ausgeräumt. Die Anzeichen waren in ihrer Deutlichkeit kaum zu übertreffen. Allein der Gedanke an Essen reichte schon aus, damit sich ihr Magen erneut zusammenkrampfte. Da sie deshalb schon seit mehreren Tagen keine feste Nahrung mehr zu sich genommen hatte, fühlte sie sich so ausgelaugt wie nach einem stundenlangen Schwertgefecht. Zudem wirkte sich der beständige Wechsel zwischen Hunger und Übelkeit, ebenso wie das Gefühl der Hilflosigkeit, welches sie angesichts der unwägbaren Veränderungen ihres Körpers überkam, verheerend auf ihre Stimmung aus. Schon seit einigen Tagen duldete sie in dem kärglich eingerichteten Zimmer des Ratsgebäudes, das sie zusammen mit Daia bewohnte, nur noch die kleine Thalia in ihrer Nähe. Die ernsthafte Anteilnahme des schweigsamen Mädchens tat ihr gut, denn Thalia musste sie nichts erklären, sondern das Kind schien trotz seiner jungen Jahre instinktiv zu verstehen, was in Tarana vorging. Manchmal legte Thalia ihr nur die Hand auf die Schulter oder musterte sie aufmerksam aus ihren klaren graugrünen Augen, so als wolle sie ihr Mut einflößen. Aber noch immer war keine Silbe über ihre Lippen gekommen, was Tarana unter anderen Umständen wahrscheinlich zunehmend mit Sorge erfüllt hätte. In ihrem momentanen Zustand empfand sie Thalias wortlosen Zuspruch jedoch als Wohltat.
    Daia hatte es indes nach wiederholten vergeblichen Versuchen aufgegeben, sich der reizbaren Istanoit in freundschaftlicher Fürsorge zu nähern, und war in ein anderes Zimmer umgezogen, das ein wenig mehr Sicherheit vor Taranas tückisch wechselnden Launen bot. Im Grunde tat es Tarana leid, wie sie Daia gelegentlich anfuhr, aber gerade ihre Art, sie wie eine Kranke zu behandeln und entsprechend zu bemitleiden, ließ sie regelmäßig aus der Haut fahren. Sie wollte nicht bedauert werden, jetzt noch weniger als nach den tragischen Ereignissen mit Arton und Derbil. Sie war eine Frau vom stolzen Volk der Istanoit und außerdem eine fähige Schwertkämpferin. Tarana konnte niemanden gebrauchen, der sie unentwegt daran erinnerte, dass sich ihr eigener Körper ihrem sonst so starken Willen widersetzte. Trotzdem wusste sie, dass Daia es nur gut mit ihr meinte, denn selbst nach dem fluchtartigen Wechsel in ein anderes Zimmer schien die junge Adelige nicht eingeschnappt zu sein, sondern sah regelmäßig nach ihrer »neuen Freundin«, wie Daia die Istanoit gerne bezeichnete. Tarana scheute noch davor zurück, diese recht frische Verbundenheit, die sich zwischen den beiden

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