Das Vermächtnis der Schwerter
dem rechten Fleck, wenn er auch bezüglich der Zukunft der Insel Andobras ein paar Ansichten vertrat, die Arton nicht unbedingt teilte. Barat hatte sich in ihren kurzen Gesprächen als zuverlässig, offen und vor allem ehrlich erwiesen und verfügte ganz nebenbei noch über äußerst nützliche militärische Kenntnisse. Deshalb achtete ihn Arton sehr. Lediglich bezüglich Erbukas war sich Arton nicht ganz im Klaren, was aber wohl vor allem daran lag, dass er bislang mit ihm noch kaum gesprochen hatte.
Trotzdem hatte ihn niemand zurück zur Festung begleiten wollen – er musste alleine gehen. Seine langen Schritte trugen ihn inzwischen bereits wieder hangabwärts, dem Hafen entgegen. Ein Grund für seine rasche Rückkehr zur Festung stellte sicherlich die Notwendigkeit dar, dort nach dem Rechten zu sehen, aber noch weit mehr trieb ihn das Bedürfnis, ein weiteres Gespräch mit dem Erleuchteten Nataol zu führen. Den jungen Erenor verlangte es vor allem danach, dem Citpriester zu erzählen, wie es ihm gelungen war, Ferrag mithilfe der Geistsprache aus seiner Ohnmacht zu wecken. Schließlich hatte Nataol behauptet, Menschen seien nicht zugänglich für diese Art der Gedankenbeeinflussung. Und außerdem gab es immer noch die wichtigste aller Fragen zu klären: nämlich die nach Artons Vater.
Als die Sonne bereits in einer heraufziehenden Wolkenbank zu verschwinden begann, durchschritt Arton endlich das Tor zur Festung von Andobras. Unten in der Stadt war alles ruhig gewesen, möglicherweise etwas zu ruhig für eine Hafenstadt, die den Großteil ihres Verdienstes durch den Seehandel erzielte. Da aber die Sperrkette im Hafen aufgrund der jüngsten Vorfälle noch immer nicht gesenkt worden war, fiel diese wichtige Einnahmequelle für die Andobrasier nach wie vor weg und so gab es schlichtweg keinen Grund, den Marktplatz oder die Kaistraße aufzusuchen. Außerdem war es auch gut möglich, dass das entschiedene Vorgehen gegen die Rebellen und deren demonstratives Abführen in Fesseln die durchaus beabsichtigte einschüchternde Wirkung nicht verfehlt hatte und deshalb so wenig Menschen auf den Straßen waren. Jedenfalls erforderte weder die Situation in der Stadt noch die in der Festung Artons Eingreifen, sondern im Gegenteil, es schien alles unter Kontrolle zu sein.
Nach einem knappen Gruß an die Torwächter überlegte Arton kurz, ob er nicht zunächst ein wenig Rast in seinem Quartier machen sollte, denn der lange Marsch von der Mine bis hierher hatte ihn ein wenig erschöpft. Allerdings war sein Verlangen nach Antworten größer als seine Müdigkeit, was ihn schließlich den Weg in Richtung Tempel wählen ließ.
Durch höfliches Klopfen an der Kammertür des Priesters machte Arton auf sich aufmerksam und wartete dann geduldig, bis eine leise Stimme von drinnen ihm das Eintreten gestattete. Nachdem er die Tür geöffnet hatte, erblickte er Nataol, der in einfachen Leinengewändern gekleidet an einem kleinen Tisch saß und aß. Mittlerweile schien der Citdiener sich etwas erholt zu haben, denn er wirkte lange nicht mehr so fahl und zerbrechlich wie noch tags zuvor. Der Erleuchtete unterbrach sein Mahl, als der junge Erenor eintrat, und winkte ihn freundlich zu sich an den Tisch.
»Tretet heran, werter Arton«, ermunterte er den Krieger. »Ich hatte schon geglaubt, Ihr würdet mich am heutigen Tag nicht mehr mit Eurem Besuch beehren. Nehmt Euch dort drüben einen Stuhl und setzt Euch, leistet mir Gesellschaft bei meinem einsamen Mahl.«
Arton erkannte, dass der Priester offenbar in einem Buch gelesen hatte, während er die köstlich duftenden Speisen, die dort auf seinem Teller angerichtet waren, zu sich nahm. In diesem Moment wurde Arton bewusst, dass er bereits einen vollen Tag lang nichts Richtiges mehr gegessen hatte.
»Seid Ihr hungrig?«, erkundigte sich Nataol sofort, als er sah, wie der junge Kämpfer auf den vollen Teller starrte. »Ich kann Euch etwas zu essen aus der Tempelküche bringen lassen. Meine Novizen bemühen sich sehr darum, dass es mir an nichts mangelt, obwohl die Versorgung mit Vorräten zunehmend schwieriger wird und auch das Küchenpersonal nicht mehr in der Festung erscheint. Vielleicht ist noch etwas mehr von dem da, was ich gerade esse. Ich werde mal nachfragen, wenn Ihr wollt.«
»Gerne«, erwiderte Arton mit einem dankbaren Nicken.
Daraufhin erhob sich Nataol ein wenig schwerfällig von seinem Stuhl und öffnete eine Seitentür, die sich in geschlossenem Zustand kaum sichtbar in der
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