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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mein Bruder gönnt mir einfach nicht die Luft zum Atmen!«
    … und du ihm nicht seine Erstgeburt, dachte der Ritter, wollte aber das Wiedersehen nicht mit einem Tadel trüben. Er mochte seine Söhne und ärgerte sich über das kleinliche Verhalten, das die beiden an den Tag legten und das immer wieder zu lautstarken Streitereien geführt hatte. Um endlich Ruhe in seinem Haus zu haben, hatte er Ingold nach Kibitzstein gebracht. Nun kamendie beiden Bengel einander nicht mehr täglich in die Haare, und Ingold konnte sich daran gewöhnen, einem fremden Herrn zu dienen. Das würde sein Schicksal sein, wenn es ihm nicht gelang, eine reiche Erbin zu freien.
    »Was macht Ritter Michel? Wo steckt er denn?« Der Dieboldsheimer sah sich um und entdeckte den Burgherrn auf halbem Weg zum Tor.
    »Gott zum Gruß, Nachbar!«, rief er ihm zu.
    »Gott zum Gruß, Ritter Ingomar!« Michels Stimme klang abweisend.
    Der Dieboldsheimer gab jedoch nichts auf die kühle Begrüßung, sondern eilte auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. »Hoffentlich hat mein Bengel Euch nicht zu viele Umstände gemacht! Und wenn doch, so seid nicht zimperlich mit ihm. Er verträgt schon den einen oder anderen Stoß. In seiner Situation muss er sich ducken und gehorchen lernen. Befehlen kann er die Knechte, falls man ihm welche unterstellt.«
    Junker Ingold biss die Zähne zusammen, um sich kein ungehöriges Wort entschlüpfen zu lassen. Auch wenn er sich über die herablassende Bemerkung seines Vaters ärgerte, war er ihm im Grunde von Herzen dankbar. Hier auf Kibitzstein hatte er ein gutes Leben, denn Michel ließ ihn in Ruhe arbeiten und redete ihm nicht drein, wie andere Burgherren es getan hätten. Anders als sein Bruder behauptete, konnte er hier zeigen, was er wert war. Die Burg und die Dörfer, die zu Kibitzstein gehörten, waren dank seines Einsatzes in einem besseren Zustand als je zuvor und stachen inzwischen sogar den Besitz seines Vaters aus. Es war nur bedauerlich, dass nicht er selbst, sondern ein anderer Mann der Herr dieses Lehens war. Er beneidete Ritter Michel jedoch nicht, denn dieser hatte seinen Besitz mit wackerer Schwertarbeit errungen. Das wäre auch sein Ziel gewesen, doch sein Vater ließ nicht zu, dass er für Kaiser Sigismund in den Krieg zog. Dabei hätte eine tapfere Tat ihm Ruhm und Ehre eingebracht und darüberhinaus auch ein Lehen oder wenigstens die Hand einer reichen Erbin.
    Michel ahnte nicht, dass Ingold sich den Zustand des Lehens Kibitzstein selbstzufrieden auf den Schild geschrieben hatte, sondern fühlte sich schuldig, weil er so wenig auf den jungen Mann und sein Wirken geachtet hatte. Als er jetzt mit den Gästen über den Burghof ging, fiel ihm zum ersten Mal auf, wie sauber und ordentlich alles wirkte, und daher klopfte er dem Junker spontan auf die Schulter.
    Dann wandte er sich an dessen Vater. »Euer Bengel – wie Ihr ihn nennt – hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Ich wüsste nicht, wie ich ohne ihn ausgekommen wäre.«
    Ingomar von Dieboldsheim nickte zufrieden und über Ingolds Gesicht huschte eine leichte Röte. Es war gut, solche Worte zu hören, dachte er. Zu Hause hatte immer der ältere Bruder das Lob und die Belohnung für gute Leistung für sich eingefordert. Auch hier war seine Arbeit bisher nicht sonderlich beachtet worden, und er hatte schon geglaubt, Ritter Michel würde sich nicht im Geringsten um das scheren, was auf der Burg geschah. Das aber schien ein Irrtum gewesen zu sein.
    Er lächelte Michel dankbar zu und deutete eine Verbeugung an.
    »Einem solchen Herrn wie Euch dienen zu dürfen erfüllt mich mit großem Stolz.«
    »Dann ist ja alles in bester Ordnung!« Der Dieboldsheimer legte einen Arm um seinen Sohn und den anderen um Michel und schob beide mit der Masse seines Körpers in Richtung des Palas. Unterwegs wies er mit dem Kinn auf Mariele, die in der Nähe stand und ihnen neugierig zusah. Da sie ein Kleid trug, das durchaus der Tochter eines Ritters angemessen war, betrachtete er sie neugierig.
    »Ist das Eure Tochter, Adler?« Er schien dabei zu rechnen. Noch ein, zwei Jahre, dann würde dieses Mädchen mannbar sein, und wenn sein Sohn sich bis dorthin gut machte …
    Michels Kopfschütteln beendete den Gedankengang seines Gastes. »Nein, das ist Mariele, die Tochter einer guten Freundin. Die Kleine, die da gelaufen kommt, ist meine Tochter Trudi!« Er zeigte dabei auf ein Kind, das in Ritter Ingomars Augen zu jung war, um eines Tages seine Schwiegertochter zu werden.
    »Ein

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