Das Vermächtnis der Wanderhure
des teuren Branntweins. Der Bojar bemerkte seinen scheinbar schon recht fortgeschrittenen Grad der Trunkenheit und gab seinen Knechten ein Zeichen. Daraufhin schenkten die Männer ihm nur noch Kwass ein, dessen berauschende Kraft sich bei weitem nicht mit dem Teufelsgetränk der Lateiner messen ließ.
Fürst Dimitri trank den starken Branntwein wie Wasser. Jedem anderen hätte der Rausch die Zunge gelähmt, doch seine Stimme wurde lauter und fordernder. Bald lenkte der Bojar das Gespräch, das sich zunächst nur um allgemeine Dinge gedreht hatte, auf diePolitik und schnitt dabei Themen an, die viel Diplomatie erforderten.
»Bist du nicht auch der Meinung, dass Russland einen erwachsenen Großfürsten benötigt, einen Mann, der mit dem Polenkönig und den Khanen der Tataren von Gleich zu Gleich verhandeln kann? Was aber haben wir? Ein Kind, dessen Vormund der gleiche Litauer ist, der unserem heiligen Russland neben anderen Städten das unvergleichliche Smolensk entrissen hat!« Bei diesen Worten zwinkerte der Bojar Dimitri verschwörerisch zu.
Andrej bemerkte den lauernden Ausdruck auf Sachars Gesicht und wollte seinem Fürsten raten, sich mit seinen Antworten zurückzuhalten. Doch Dimitri befand sich bereits in einem Stadium, in dem er sich jede Einmischung verbieten und den Sprecher mit drastischen Strafen belegen würde. So blieb ihm nichts anderes übrig, als stumm zuzuhören, wie sein Herr über Vytautas von Litauen, den Großvater des jungen Moskauer Großfürsten, und über diesen selbst herzog.
»Noch stützt die litauische Macht Wassili, doch Vytautas ist ein alter Mann und kann schon bald sterben. Dann werden die Verhältnisse in Russland neu geordnet, sage ich dir, Söhnchen. Auf ewig wird sich Juri, der Sohn des Dimitri Donskoj, nicht mit dem Bettel Galic abspeisen lassen, den sein Neffe ihm zugesteht. Hat er Wassili Wassiljewitsch nicht schon einmal aus Moskau vertrieben? Juri hätte die Stadt und damit auch die Großfürstenwürde behalten können, wenn der Litauer sich nicht gegen einige seiner Verbündeten gestellt hätte, so dass diese ihre Krieger abziehen mussten. Nur durch diesen Verrat ist es Wassilis Heerführern gelungen, sich wieder in den Besitz der Stadt zu bringen.«
Dimitri hatte sich in Rage geredet und gab, von seinem Gastgeber geschickt gelenkt, all seine Pläne und Überlegungen zum Besten. Das, was geheim hätte bleiben müssen, wurde nun vor vielen Ohren ausgebreitet, und die meisten seiner betrunkenen Gefolgsleute stimmten Dimitri lauthals zu. Selbst Pantelej ließ Spitzenlos auf den kindlichen Großfürsten und dessen obersten Berater, den Metropoliten Foti. Lawrenti schien als Einziger wieder nüchtern zu werden, denn er versuchte verzweifelt, seinen Fürsten zur Vernunft zu bringen, zog sich damit aber dessen Unmut zu und wurde zuletzt sogar von dem wütend auffahrenden Dimitri aus der Halle gewiesen.
Früher hatte Andrej sich mit den anderen Gefolgsleuten amüsiert, wenn sein Onkel wieder einmal ins Fettnäpfchen getreten war, und wohl am lautesten gelacht. Damals hatte er jedoch noch nicht begriffen, warum Lawrenti dem Fürsten so häufig widersprach, obwohl es doch bequemer war, sich dessen Meinung zu eigen zu machen. An diesem Abend verstand er zum ersten Mal, was den alten Mann bewegte, und leistete ihm im Stillen Abbitte. Es gehörte zu den Aufgaben eines ehrlichen Ratgebers, Kritik zu üben, um gefährliche Entwicklungen zu verhindern. Dimitri aber war für keinen Rat empfänglich, sondern verstieg sich zuletzt sogar in Zukunftsaussichten, in denen er sich selbst als Fürst von Smolensk sah, das man den Litauern bald wieder abnehmen würde. Seinem Gastgeber bot er großzügigerweise sein eigenes Fürstentum als Belohnung an, wenn dieser sich mit seinen Leuten und all seinen Freunden auf die Seite Juris, des Fürsten von Galic, schlagen würde.
»Gib mir Branntwein! Diesen Kwass können die Knechte saufen!« Da Andrej sich keinen anderen Rat mehr wusste, Dimitri zum Schweigen zu bringen, sprang er auf und schleuderte den vollen Krug Kwass quer durch die Halle.
Sachar sah den Fürsten kopfschüttelnd an. »Dein Gefolgsmann hat heute wohl schon kräftig gebechert, Väterchen!«
Dimitri winkte lachend ab. »Der gute Andrej Grigorijewitsch verträgt rein gar nichts. Den könnte selbst dein Weibchen unter den Tisch trinken.«
Ungewollt bot er Andrej damit die Möglichkeit, das Wort an sich zu reißen. »Wie gut, dass du gerade das Weib unseres Freundchenserwähnst! Wo
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