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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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von ihrer inneren Zerrissenheit befreien sollte, winkte sie ihre Haushofmeisterin heran. Die entfernt mit ihrem Gemahl verwandte Russin kam von frischen, wallenden Hausgewändern umhüllt auf sie zu. »Du wünschst, erhabene Fürstin?«
    »Der Deutschen und ihrer schwarzen Magd soll die Kammer neben meinem Schlafgemach angewiesen werden, damit sie dort auf meinen Sohn Acht geben können.«
    »Wie du es befiehlst, Herrin, so wird es geschehen!« Die Haushofmeisterin verbeugte sich und verließ den Raum, um Mägde damit zu beauftragen, die Kammer auszuräumen, die bislang nur als Abstellraum für Dinge genutzt worden war, welche die Fürstin aus ihrer griechischen Heimat mitgebracht hatte, und Betten hineinzuschaffen. Dabei musste sie ihre Wut auf die Fürstin und diese impertinente Fremde unterdrücken, die sich in deren Gunst geschlichen hatte. Ihr eigenes Gemach lag nämlich weiter von dem der Fürstin entfernt als das dieser Sklavin, und nach Sitte und Brauch hätte es ihr zugestanden, in Anastasias unmittelbarer Nähe zu wohnen.

IX.
     
    F ürst Dimitri betrat polternd die große Halle, die von zwei Reihen zierlich gedrechselter Holzsäulen durchzogen wurde, und starrte missmutig auf die zweireihige Tafel und die Knechte, die gerade das Abendessen auftrugen. Mit einer wütenden Handbewegung warf er seine Reitpeitsche auf das Kopfende des Tisches, an dem er zu sitzen pflegte. Dabei stürzten zwei Becher um, rolltenvon der Tischplatte und fielen zu Boden. Ein Bediensteter hob die Gefäße eiligst auf, rieb sie mit einem Ärmel sauber und stellte sie wieder auf die Tischplatte.
    »Wo ist Jaroslaw? Warum empfängt er mich nicht?« Die Stimme des Fürsten hallte von den Wänden der Halle wider.
    Die Knechte und die bereits versammelten Gefolgsleute duckten sich unwillkürlich und sahen einander an. Einige Augenblicke hätte man das Trippeln einer Spinne hören können, so still war es im Saal. Dann ermannte sich einer der Edelleute, die den Fürsten nicht hatten begleiten dürfen, und trat mit gesenktem Kopf auf Dimitri zu.
    »Dein Bruder ist schon früh am Morgen fortgegangen, um in der Wolga Fische zu fangen, und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Hätte er gewusst, dass du heute kommst, Väterchen, wäre er sicher schon erschienen.«
    Dimitri kniff ärgerlich die Lippen zusammen und ließ seinen Blick über die Leute im Saal wandern, und als er den Mann entdeckte, den er suchte, stach sein Finger in dessen Richtung. »Hatte ich dir nicht geboten, Jaroslaw überallhin zu begleiten, Anatoli?«
    Der Angesprochene sah so aus, als wünsche er sich an jeden anderen Ort der Welt. Zögernd kam er auf seinen Herrn zu und kaute dabei auf seinen Lippen. »Ich habe ihn all die Tage vom Morgen bis zum Abend nicht aus den Augen gelassen, mein Fürst. Doch dort, wo er angelt, kann er höchstens mit den Fischen in der Wolga sprechen, und da bin ich vorausgegangen.«
    »Und wer ist jetzt bei ihm?«, schrie Dimitri ihn an »Was ist, wenn ein Verräter ihm ein Pferd bringt und er nach Twer flieht oder gleich nach Moskau? Du Hund solltest auf ihn Acht geben und hast mein Vertrauen enttäuscht. Vielleicht bist du sogar selbst ein Verräter!« Schneller, als man schauen konnte, riss der Fürst seine Peitsche vom Tisch und schlug mehrmals mit voller Kraft auf seinen Gefolgsmann ein.
    Anatoli nahm die Hiebe mit stoischer Ruhe hin, doch seine Augensprühten Funken. Unterdessen hatte Lawrenti die Halle erreicht und erfasste die Situation auf einen Blick.
    »He, ihr faulen Hunde, wo bleibt der Wein für den Fürsten und seine Getreuen?«, rief er mit laut hallender Stimme.
    Dimitri hielt inne und drehte sich zu ihm um. »Das wollte ich eben auch fragen. Ich habe Durst! Also her mit dem Wein. Und seht zu, dass Ihr Branntwein auftreibt, wie Sachar Iwanowitsch ihn mir hat kredenzen lassen. Erst dieses Getränk macht einen zu einem richtigen Mann.«
    Einige Diener spritzten davon, um das Gewünschte zu bringen. Kurz darauf hielt der Fürst einen großen, mit Wein gefüllten Silberbecher in der Hand und trank ihn in einem Zug leer. »Nicht schlecht! Aber Branntwein ist besser«, sagte er, als er das Gefäß zurückreichte.
    »Ich bezweifle, dass dieses ausländische Zeug in Worosansk zu finden ist. Man wird wohl nach Nowgorod schicken müssen. Über den Ilmensee und den Lowat geht es schneller als auf dem Landweg nach Pskow.« Lawrentis Gesichtsmuskeln zuckten bei seinen Worten, als erwarte er ebenfalls Schläge.
    Der Fürst warf seine Peitsche

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