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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dieser Kammer Unterkunft gefunden hatte und sich daher als Gastgeberin sah.
    »Ein Weib, das nicht gehorcht, verdient Prügel, genau wie der Mann, der sich von seiner Frau auf der Nase herumtanzen lässt.« Michel hatte Marie nie mit Schlägen gedroht, obwohl sie ihm oft widersprochen und nicht selten Recht behalten hatte. Allerdings hätte sie sich nie so kindisch aufgeführt wie seine neue Frau, und das verstärkte sein Gefühl, einen schlechten Tausch gemacht zu haben.
    »Du kommst jetzt mit!«, befahl er Schwanhild. Seine Stimme klang zwar ruhig, aber es schwang eine unüberhörbare Drohung darin. Trotz seiner Verärgerung brachte er genügend Höflichkeit auf, sich vor den anderen Damen zu verneigen undsich freundlich zu verabschieden. Dann drehte er sich um, verließ die Kammer und eilte mit langen Schritten durch die Flure der Burg.
    Schwanhild, die seine Hand wie eine eiserne Klammer um ihren Oberarm spürte, musste rennen, um nicht mitgeschleift zu werden. »Du bist ein Rüpel!«, zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Daran wirst du dich gewöhnen müssen«, antwortete er schroff. Schwanhild begriff, dass dieser Mann ihr nicht so aus der Hand fressen würde wie ihr Vater. Daher presste sie die Lippen zusammen, um all die Anklagen gegen ihn zurückzuhalten, die ihr durch den Kopf schossen. Nach Sitte und Brauch war dieser ungehobelte Tölpel ihr Herr, und wenn er sie auf der Stelle grün und blau schlug, würde ihn niemand dafür tadeln. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Tränen, die die Wut ihr in die Augen trieb, freien Lauf zu lassen. Als sie den plumpen Gepäckwagen sah, weigerte sie sich jedoch strikt, auf dem Bock Platz zu nehmen, sondern forderte eine Sänfte.
    Michel hatte keine Lust, sich mit ihr zu streiten, und schickte Karel los, den Kastellan der Burg um eine Pferdesänfte zu bitten. Der Bursche kam kurz darauf mit einem Knecht zurück, der zwei hintereinander gehende Pferde führte. Diese trugen eine auf zwei langen Stangen befestigte Sänfte zwischen sich, die dringend eines neuen Anstrichs bedurft hätte und muffig roch. Schwanhild verzog missmutig das Gesicht, sagte aber nichts, sondern stieg mithilfe des Knechts ein und schloss die Vorhänge, als wolle sie die Welt, vor allem aber ihren Ehemann für die nächsten Stunden aus ihrem Leben streichen. Zu ihrem Leidwesen gab niemand etwas auf ihren Unmut, und erst als die Umrisse Nürnbergs hinter den Hügeln versunken waren, fiel ihr ein, dass sie ihre Leibmagd Frieda zurückgelassen hatte. Nun würde sie sich auf der Reise selbst behelfen müssen.

VIII.
     
    A uf Kibitzstein freuten sich die Bewohner, als der Türmer Michels Ankunft meldete. Er hatte ihnen gefehlt, auch wenn er sich in den letzten Monaten nur wenig um sie gekümmert hatte, und sie hofften, er könne ein Problem lösen, das in seiner Abwesenheit entstanden war. Nicht ganz unerwartet hatte Ingomar von Dieboldsheim eine Fehde mit einem Vasallen des Würzburger Bischofs vom Zaun gebrochen und drängte nun seinen Sohn Ingold, der als Michels Vertreter und Kastellan auf Kibitzstein weilte, ihm beizustehen. Die Bewohner der Burg rechneten es dem Jüngling hoch an, dass er bislang der Bitte seines Vaters widerstanden hatte. Alle atmeten auf, als das Tor aufschwang und ihr Herr an der Spitze des Reisezugs auf dem Hof einritt.
    Ingold von Dieboldsheim eilte auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Willkommen daheim, Herr Michel. Ihr erscheint zu einer guten Stunde. Ich hätte sonst einen Boten zu Euch senden müssen.«
    Michel blickte erstaunt auf den Junker nieder. »Gibt es Schwierigkeiten?«
    Der junge Ritter nickte mit verkniffenem Gesicht. »Leider ja! Und bedauerlicherweise muss ich zugeben, dass mein Vater dahintersteckt. Es geht um irgendeinen alten Vertrag, den er mit einem Lehnsmann Johann von Brunns, des Bischofs von Würzburg, ausgehandelt haben will. Jedenfalls erfüllt der Sohn des Verstorbenen die Vereinbarungen nicht so, wie es angeblich geschrieben steht. Mein Vater hat dem Mann die Fehde angesagt und letztens eines von dessen Dörfern überfallen. Seine Leute haben sich dann über Kibitzsteiner Land zurückgezogen, um den Anschein zu erwecken, wir wären mit ihm im Bunde. Sein Gegner wollte als Rache dafür unser Spatzenhausen angreifen, doch ich konnte den Mann mit guten Worten und einem ausreichend großen Trupp bewaffneter Knechte davon abhalten. Vielleichtgelingt es Euch, zwischen meinem Vater und dem Würzburger zu vermitteln, denn einen

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