Das Vermächtnis der Wanderhure
als wünschte es ihr die Seuche an den Hals. Die Renitenz, die sie auch in anderen Gesichtern las, verriet ihr, dass diese Burg dringend die feste Hand einer Hausfrau benötigte. Darüber wunderte sie sich nicht, denn die erste Gattin ihres Mannes war dem niederen Volk entsprossen und hatte sich mit viel Geschick und einer gewissen Nachgiebigkeit, die sich keine ehrbare Frau zuschulden kommen lassen sollte, in die Gunst der Mächtigen geschlichen. Doch wie man den Haushalt einer Burg führt, hatte diese Hure nie gelernt.
Michel war auf Reimo zugetreten, um ihn zu begrüßen, und wollte sich eben dessen Frau Zdenka zuwenden, als er sich der Tatsache entsann, dass er seine frisch angetraute Ehefrau nicht wie ein Gepäckstück auf dem Hof stehen lassen konnte. Er drehte sich zu ihr um, nahm ihre Hand aus der Ingolds und führte sie zu Trudi.
»Das ist meine Tochter Hiltrud, mein Ein und Alles«, erklärte er Schwanhild, während er mit der Linken über die Wange des Kindes strich. »Nun, mein Schatz, freust du dich, dass ich wieder da bin? Sieh an, du bist ja schon wieder gewachsen! Wenn du so weitermachst, wirst du bald groß sein. Schau her, wen ich dir mitgebracht habe. Das ist deine neue Mama. Sie heißt Schwanhild.«
Der Trotz auf Trudis Gesicht verstärkte sich noch. »Aber ich habe doch eine Mama! Ich brauche keine neue.«
Michel seufzte. »Trudi, mein Kleines, du musst endlich begreifen, dass deine Mama tot und bei den Engeln im Himmel ist. Sie schaut von dort auf dich herab und ist bestimmt ganz traurig, weil du so widerborstig bist und Mama Schwanhild keinen Begrüßungskuss gibst.«
Schwanhilds Mundwinkel bogen sich nach unten, auf einen Kuss von diesem rebellischen Ding legte sie wahrlich keinen Wert. Ihrer Meinung nach gebührten dem Mädchen ein paar kräftige Hiebe auf den Hintern. Sie bedachte Trudi mit einem Blick, der dieser riet, es nicht zu weit zu treiben, und achtete dann nicht weiter auf das Kind.
»Ich bin erschöpft und wünsche mich auszuruhen. Außerdem benötige ich wegen unseres überstürzten Aufbruchs dringend eine Leibmagd. Ich werde mir die Frauen auf der Burg ansehen, um zu entscheiden, wer von ihnen dafür in Frage kommt.«
Eva, die alte Marketenderin, lehnte mit der rechten Schulter an einem Pfosten der Stalltür und hatte die Szene mit einem gewissen Abstand verfolgt. Nun spuckte sie den Pflaumenkern aus, auf dem sie gelutscht hatte. »An diesem Früchtchen werden wir noch unsere Freude haben, das sage ich dir.«
Sie meinte Theres, die wie sie einst Marketenderin gewesen war und ebenfalls zu den Freundinnen gehörte, die Marie auf dem böhmischen Feldzug gewonnen hatte.
Theres bleckte die Zähne und widerstand nur mit Mühe dem Wunsch, ebenfalls auszuspucken. »Wenn ich die so ansehe, bekomme ich geradezu Lust, meinen alten Wagen anzuspannen und mir einen Heerzug zu suchen, mit dem ich ziehen kann.«
»Dafür ist es heuer bereits zu spät. Aber ich fürchte, im nächsten Frühjahr werden wir unser bisher so warmes Nest verlassen müssen.« Eva hatte ihr Urteil über Schwanhild gefällt und hadertewieder einmal mit Gott und den Heiligen, weil sie Marie auf eine so schlimme Art von dieser Welt geholt hatten.
»Wenn wir gehen, verliert Trudi zwei Menschen, die es gut mit ihr meinen. Die dort tut es gewiss nicht.« Theres zeigte mit dem Kinn auf Schwanhild, die eben an der Reihe der Mägde entlangging, um sich einen ersten Überblick über ihre neuen Untergebenen zu verschaffen. Als Michel ihr Zdenka vorstellte und dabei erwähnte, dass die Wirtschafterin aus Böhmen stammte, wurde Schwanhilds Gesicht hart.
»Ich will keinen von diesen verfluchten Hussiten in der Burg!«
»Zdenka ist eine gute Katholikin und wurde von den aufrührerischen Böhmen verfolgt und mit dem Tode bedroht.« Michels Stimme klang scharf.
Schwanhild kämpfte mit den Tränen. Ihr aufgezwungener Ehemann hatte ihr vor aller Augen gezeigt, wie wenig sie in dieser Burg gelten würde.
Junker Ingold biss ebenfalls sie Zähne zusammen, denn er fand, dass Michel Adler ein wenig mehr Rücksicht auf seine Gemahlin nehmen sollte. Die wunderschöne Schwanhild schien den Burgherrn zumindest in diesem Augenblick weniger zu interessieren als die Bäuerin aus Böhmen oder die Trossweiber, die er jetzt herzlich begrüßte.
Schwanhild betrachtete Eva und Theres wie zwei Wesen aus einer anderen Welt. Ihrem Aussehen nach waren sie ehrloses Volk aus dem Staub der Landstraße, wohl Freundinnen von Michels erster Frau und
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