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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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längst verlassen.«
    Die frühere Marketenderin lieferte Mariele damit das Stichwort für den nächsten Angriff. Das Mädchen stellte sich in Pose und blitzte die anderen kämpferisch an. »Ich werde nicht zulassen, dass unsere Trudi durch einen Bastard um das ihr zustehende Erbe gebracht wird.«
    Ihr Bruder tippte sich an die Stirn. »Du lädst dir zu viel auf, Mariele. Die Zeiten haben sich gewandelt. Vor einem halben Jahr konnten wir beide fast von Gleich zu Gleich mit Herrn Michel sprechen, aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Und auch damals hätte ich es nicht gewagt, ihm solche Anschuldigungen ins Gesicht zu sagen.«
    »Du bist ein elender Feigling! Ich würde mich das jederzeit trauen.« Mariele warf den Kopf hoch und machte Anstalten, auf die Freitreppe zuzugehen, die zur Pforte des Palas hochführte. Michi und Anni eilten ihr nach und hielten sie auf.
    »Du bist verrückt vor Hass! Das ist nicht gut.« Es waren die ersten Worte, die Maries frühere Leibmagd an diesem Tag von sich gab, und sie trafen ins Schwarze. Mariele war etwas jünger als Anni und noch zu kindlich, um bereits als Frau wahrgenommen zu werden. Doch sie hatte sich in eine mystische Verehrung für Michel hineingesteigert und verging vor Eifersucht auf Schwanhild, die überdies noch Junker Ingold in ihren Bann geschlagenhatte, dem nach Michels Heirat ihre unschuldige, aber leidenschaftliche Liebe gegolten hatte.
    »Ich muss Anni Recht geben! Du solltest vorsichtiger sein mit dem, was du sagst.« Eva wies mit ihrem dürren Zeigefinger auf eine hübsche Frau in der Tracht einer gehobenen Bediensteten, die sich in ihrer Nähe herumtrieb. Im Eifer des Gesprächs war bis jetzt niemand aus der Gruppe auf die Lauscherin aufmerksam geworden. Jetzt aber wechselten alle besorgte Blicke – bis auf Mariele, die sich hinter ihrem Trotz verschanzte. Frieda, Frau Schwanhilds Leibmagd, war als deren Zuträgerin bekannt und mindestens ebenso verhasst wie ihre Mutter Germa.
    »Wenn dieses Weib etwas von unserem Gespräch aufgeschnappt hat, dann gnade uns Gott!« Eva sprach aus, was die anderen dachten.
    Nur Mariele hob spöttisch den Kopf und blies verächtlich durch die Nase. »Schwanhild soll ruhig hören, dass wir von ihrer Schande wissen.«

II.
     
    S chwanhild sah vom Burgsöller aus auf die Gruppe hinab, die schwatzend zusammenstand, und ahnte, dass sie dort unten durchgehechelt wurde. Doch gerade als sie sich fragte, ob es nicht doch einen Weg geben mochte, gegen dieses Pack vorzugehen, entdeckte sie ganz in der Nähe der Gruppe ihre Leibmagd und lächelte böse. Frieda war ein geschicktes Ding und vermochte sich fast lautlos an jeden heranzuschleichen. Seit ihre Zofe auf der Burg weilte, hatte sie ein Ohr, dem kaum etwas entging.
    Schwanhild legte die Hand auf ihren Bauch, über dem sich ihr langes blaues Kleid spannte. Sie hätte ein weiter geschnittenes Gewand anlegen können, aber sie verzichtete darauf, um aller Welt und besonders ihrem Mann deutlich vor Augen zu führen,dass sie guter Hoffnung war. Sie, Schwanhild, stellte die Zukunft seiner Sippe dar und nicht jenes Gesindel da unten, das in seiner unbegreiflichen Verehrung für eine ehemalige Hure zu leben schien und wohl immer noch nicht gemerkt hatte, dass auf Kibitzstein ein anderer Wind wehte.
    Mit einem Mal nahm sie eine Bewegung wahr und drehte sich um. Sofort glättete ihre Miene sich, denn sie hatte Junker Ingold erkannt. Anders als Michel Adler hatte der junge Mann all das, was einen edel geborenen Herrn auszeichnete, und sie bedauerte, sooft sie ihm begegnete, dass nicht er ihr angetraut worden war, sondern dieser bäuerische Wirtssohn, der noch dazu um so viele Jahre älter war als sie. Sie seufzte und schenkte dem Junker ein Lächeln.
    »Einen schönen guten Morgen wünsche ich Euch, Herrin!« Ingold sank vor Schwanhild in die Knie und wollte ihre rechte Hand nehmen und an die Lippen führen.
    Sie entzog sie ihm sofort. »Doch nicht auf dem Söller! Hier können uns alle zusehen. Das Gesindel da unten tratscht ohnehin schon über uns.«
    Der Junker schoss hoch und ballte die Fäuste. »Sie sollen es wagen, ein böses Wort über Euch zu verlieren. Ich schlage mit eiserner Faust drein, das schwöre ich Euch!«
    »Ihr ja! Doch mein Gemahl lässt diese Leute ungehindert gewähren. Ich weiß nicht, wie ich das Leben hier noch länger ertragen soll.« Schwanhild seufzte schwer und trat in den schützenden Schatten der Söllerpforte. Jetzt ließ Ingold sich nicht länger von ihr

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