Das Vermächtnis der Wanderhure
Sohn mitgebracht. Oda hat mir für ihre Hilfe das Versprechen abgenommen, ihr Kind mit in die Heimat zu nehmen.« Marie sprach laut genug, dass Alika sie draußen hören konnte.
Die Mohrin brachte nicht nur Egon, sondern auch die kleine Lisa herein. Das Mädchen glich so sehr ihrer Mutter, als diese im gleichen Alter gewesen war, dass es Lauenstein herumriss.
»Das hier ist Huldas siebte Tochter. Doch jetzt ist sie mein Ziehkind und ich werde für sie sorgen!« Marie traute Lauenstein zu, seine Tochter vor einer Leibesstrafe bewahren zu können, und fürchtete, er werde ihr Lisa im Tausch gegen ihren Sohn abfordern. Sie war jedoch nicht bereit, das Mädchen den Launen einer Hulda von Hettenheim auszuliefern. Die Frau hatte genug Töchter und konnte daher auf ihre jüngste verzichten.
Im Unterschied zu Marie, die in ihrer Erregung Schäffleins Gestammel nicht vollständig erfasst hatte, begriff der Pfalzgraf, dass sein Berater an Maries Beseitigung beteiligt gewesen sein musste, und maß Lauenstein mit einem vernichtenden Blick. »Bei Gott, so viel Verworfenheit ist mir noch nicht untergekommen! Ihr seid der Kopf dieses teuflischen Plans gewesen und versucht jetzt, das Verbrechen allein Eurer Tochter in die Schuhe zu schieben. Und so einer ehrlosen Kreatur habe ich jahrelang vertraut!« Lauenstein sah das Schwert des Henkers schon über sich schweben und öffnete den Mund, um seine Unschuld zu beteuern. Doch Schäfflein, der eine Möglichkeit sah, seinen Kopf zu retten, sprudelte nun Einzelheiten heraus und beschuldigte Rumold von Lauenstein und dessen Tochter jeglicher Verbrechen, die er sich ausdenken konnte.
Sofort versuchte Lauenstein, den geadelten Kaufmann als fulminanten Lügner hinzustellen, doch der Pfalzgraf schnitt seinemBerater das Wort ab. »Du redest nur dann, wenn du gefragt wirst, du Hund! Deine Verbrechen schreien genauso zum Himmel wie die, welche dieser Wurm begangen hat. Der kaiserliche Vogt und seine Knechte werden die Wahrheit Stück für Stück aus euch herausholen. Wache! Führt die beiden ab.«
Ludwig von Wittelsbach wollte sich schon abwenden, besann sich jedoch anders und drehte sich noch einmal zu Lauenstein um. »Wenn du dein Leben retten willst, solltest du deine Tochter dazu bringen, hierher zu kommen und das Kind unversehrt Frau Marie zu übergeben. Dann werde ich ihr erlauben, in ein Kloster zu gehen, in dem sie für ihre und deine Seele Buße tun kann.«
Lauenstein kannte seine Tochter und lachte bitter auf. Hulda würde eher zusehen, wie er den Kopf unter dem Henkersschwert verlor, als dem Pfalzgrafen gehorchen. Und doch gab er ihr jetzt eine geringere Schuld an seinem Unglück als dieser ehrlosen Kreatur, die sich ihren Rittertitel mit Gold erkauft hatte, und sein Blick schwor Schäfflein Rache.
VII.
D er Kerkermeister, dem Herr Rumold und Schäfflein übergeben wurden, behandelte die beiden wie andere Adelige, die in Arrest genommen wurden, und sperrte sie in eine luftige, mit Betten ausgestattete Zelle. Das erwies sich als Fehler, denn am nächsten Morgen fand man den Wormser Kaufherrn tot auf dem Boden vor der Tür liegen, und die Spuren an seinem Hals wiesen darauf hin, dass er erwürgt worden war.
Marie interessierte sich nicht für das Ende des Mannes, Schäfflein war ihren Gedanken längst entschwunden. Sie betete beinahe stündlich zur Jungfrau Maria und der heiligen Maria Magdalena, dass Hulda von Hettenheim sich dem Willen des Pfalzgrafen beugen und ihr das Kind übergeben würde. Statt dersprochenen Kerze hatte sie schon deren fünf in den Kirchen der Stadt geopfert, doch die Boten, die der Pfalzgraf ausgeschickt hatte, kehrten nach drei Wochen harten Rittes unverrichteter Dinge zurück. Hulda von Hettenheim hatte sie nicht einmal in die Burg gelassen, sondern ihnen vom Turm herab höhnisch erklärt, dass sie sich dorthin schleichen sollten, wo sie hergekommen waren.
Der Pfalzgraf, der Marie, Michel und Ritter Heinrich empfing, um ihnen die Nachricht von seinem Misserfolg mitzuteilen, versuchte seinen Ärger hinter lang geübter Souveränität zu verbergen. Er ließ ihnen Klappstühle und Wein bringen, als wären die drei hoch geachtete Gäste, und musterte sie durchdringend. Dann reichte er Michel ein mit mehreren großen Siegeln versehenes Pergament.
»Das Weib Hulda von Hettenheim weigert sich, ihrem Vater und mir zu gehorchen. Daher erteile ich Euch das Recht, ihren Willen mit Gewalt zu brechen.«
Michel starrte ihn verblüfft an und kniff die
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