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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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und versuchte sie zu trösten. Ritter Heinrich trat neben das Paar und legte die Arme um beide. »Weinen und klagen hilft uns nicht! Wir müssen handeln. Außerdem bezweifle ich, dass es Euch gelungen wäre, Euren Sohn diesemWeib abzunehmen. Hulda hätte jede Eurer Verkleidungen durchschaut.«
    »Nicht, wenn sie mich im fernen Russland oder bei den Tataren vermutet hätte.« Marie packte den nächstgelegenen Gegenstand und feuerte ihn gegen die Wand.
    »Hier, nehmt diese irdenen Näpfe. Die zerbrechen wenigstens schön!« Ritter Heinrich reichte ihr die Schüsseln, die zum Füttern der Kinder verwendet wurden, und brachte Marie gegen ihren Willen zum Lachen.
    »Ihr habt Recht! Es nützt nichts, ungenutzten Möglichkeiten nachzutrauern. Wir müssen unsere Gedanken auf das richten, was jetzt zu tun ist. Wie viele Krieger, glaubt Ihr, müssen wir sammeln, um Hulda von Hettenheim die Fehde antragen zu können?«
    »Etwa dreihundert! Dazu benötigen wir ein halbes hundert Handwerker und Knechte, die Belagerungsgeräte bauen können. Ich hoffe, wir werden nicht jede der Hettenheimer Burgen erstürmen müssen, sondern nur die eine, in der sich unsere Feindin aufhält.«
    »Wie viele Krieger bringen wir zusammen?« Maries Frage galt mehr Ritter Heinrich als ihrem Mann, denn sie glaubte zu wissen, dass Kibitzstein nicht in der Lage war, eine größere Kriegerschar aufzustellen.
    Heinrich von Hettenheim bleckte die Zähne. »Zu wenige, um auf Erfolg hoffen zu können. Kommt, lasst uns Botschaft an all jene Freunde senden, von denen wir uns Hilfe erhoffen können.« Er trat an das Schreibpult, das Marie sich in die Kammer hatte stellen lassen, weil sie die wichtigsten Erlebnisse ihrer unfreiwilligen Reise aufzuschreiben begonnen hatte, und ließ sich Papier und Feder reichen. Seine Zuversicht flößte Marie und Michel Mut ein und bald beugten auch sie die Köpfe über einen Bogen Papier. Ehe der Tag geschwunden war, hatten sie etliche Briefe geschrieben und nahmen kühn das kaiserliche Botensystem inAnspruch, um die Schreiben zu ihren Empfängern bringen zu lassen.
    Als sie beim Schein von Wachskerzen in größerer Runde zusammensaßen, hob Heinrich von Hettenheim seinen Weinbecher und trank seiner einstigen Marketenderin zu. »Auf Eure glückliche Rückkehr, Frau Marie. Nehmt sie als Zeichen, dass auch dieses Unternehmen ein gutes Ende finden wird.«
    »Ich hoffe es.« Marie war nicht ganz so überzeugt wie er, doch sie wollte keinen Missklang in die Runde bringen und nahm daher ihren Becher auf.

VIII.
     
    M arie fand es bedrückender als vor vier Jahren, sich auf einem Kriegszug zu befinden. Anders als damals saß sie nicht auf einem Ochsenkarren und plagte sich mit störrischen Zugtieren ab, sondern ritt auf Häschen, der sanften Stute, die ihre Aufmerksamkeit nur wenig beanspruchte. Es wäre ihr auch schwer gefallen, ein lebhafteres Pferd zu reiten, denn ihre Gedanken schwirrten wie Hummeln in ihrem Kopf. Immer wieder drehte sie sich im Sattel um und überflog das kleine Heer mit kritischem Blick, fand aber nichts auszusetzen. Die Männer marschierten zügig, und die Gespanntiere des Trosses folgten unverdrossen dem Hauptheer, während sich die Nachhut gut hundert Schritt hinter ihnen hielt, um die Truppe zu sichern.
    Die Männer waren bester Laune, obwohl sie diesmal nicht auf nennenswerte Beute hoffen konnten. Den kaiserlichen Söldnern gefiel die Aussicht, den böhmischen Krieg fürs Erste hinter sich zu lassen, zumal die Winterquartiere, die ihnen bei Nürnberg angewiesen worden waren, aus den ärmlichsten Bauernkaten bestanden hatten und es dort höchstens Rübenbrei und hartes Brot zu essen gab. Michel hatte seine Proviantwagen neben Gerstenschrotauch mit Schinken, Würsten und ähnlich feinen Sachen beladen lassen, die die Soldaten sonst eher selten zu Gesicht bekamen. Das Kommando über den Tross führte sein einstiger Feldwebel Timo, der mit ihm von Rheinsobern gen Böhmen aufgebrochen war und dort in den Kämpfen ein Bein verloren hatte.
    Der Einbeinige hatte, nachdem sein Herr verschollen gewesen war, Unterschlupf bei einer Nürnberger Witwe gefunden und es bei Michels überraschender Wiederkehr zunächst nicht gewagt, zu ihm zurückzukehren. Doch als die Gerüchte von der bevorstehenden Fehde in Nürnberg die Runde machten, hatte er die Gelegenheit ergriffen, Frau Gretes Pantoffel zu entrinnen, und Michel aufgesucht. Entgegen seiner Erwartung hatte dieser in seinem Heer tatsächlich Platz für einen

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