Das Vermächtnis der Wanderhure
Diese Tatsache in Verbindung mit der Entführung der ehemaligen Hure würde den meisten als Beweis dafür gelten, dass Hulda ein falsches Kind als ihren Sohn ausgegeben hatte. Als erfahrener Verhandlungsführer wusste Lauenstein, wann er verloren hatte. Jetzt blieb ihm nur noch die Wahl, seine Tochter zu opfern oder mit ihr zusammen in den Abgrund zu stürzen. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer.
»Verzeiht, mein Herr, doch seit dem Tod meines Schwiegersohns verwaltet meine Tochter ihre Besitzungen selbst. Vielleichthabe ich ihr etwas zu viel freie Hand gelassen, doch mir war es wichtiger, Euch zu dienen, als auf meine Tochter zu achten.«
Der Pfalzgraf brummte unwillig. »Das hättet Ihr besser tun sollen!«
Lauenstein sah, dass sein Herr sich ein wenig beruhigt hatte, und bemühte sich, eine betrübte Miene aufzusetzen. »Ihr sprecht wahr, mein Herr. Ich gebe zu, dass ich auch schon den Verdacht hatte, meine Tochter versuche, einen der Bastarde ihres Ehemanns als Sohn aufzuziehen, falls sie selbst eine weitere Tochter gebären würde. Ritter Falko gefiel sich nun einmal darin, den Stier zu spielen und auch auf Hettenheim alle verfügbaren Weiber zu bespringen. Ich habe meiner Tochter natürlich schwer ins Gewissen geredet, und als ich dann hörte, die Magd, die von Falko geschwängert worden war, sei noch vor der Geburt gestorben, glaubte ich Hulda, dass das Kind, welches sie als das ihre ausgab, ihr Sohn sei. Ihr seht mich daher sehr verwundert, dass Frau Marie plötzlich auftaucht und Ansprüche auf den Jungen erhebt.«
Da Marie Lauenstein auf der Otternburg nicht zu Gesicht bekommen hatte, zweifelte sie nicht an seinen Worten, sondern hoffte, er würde ihr helfen. »Eure Tochter, Herr von Lauenstein, hat mich in Speyer entführen und auf eine Festung namens Otternburg bringen lassen. Dort habe ich meinen Sohn geboren und bin danach mit Huldas siebter Tochter, die nur wenige Wochen zuvor zur Welt gekommen war, ins ferne Russland verschleppt worden.«
»Welch eine glückliche Fügung, dass Ihr wieder in die Heimat zurückgefunden habt!« Rumold von Lauenstein ließ sich nicht anmerken, dass er sowohl seine Tochter wie auch deren Feindin in die tiefste Hölle wünschte. Die ehemalige Hure war härter als Stahl und hatte mehr Leben als sämtliche Katzen auf seiner Stammburg zusammen. Hulda war eine blutige Närrin gewesen, dieses Weib am Leben zu lassen.
Ludwig von Wittelsbach lehnte sich zurück. »Ja, das war wirklich eine glückliche Fügung. Seine Majestät, der Kaiser, hat bereits befohlen, eine Kapelle zu Ehren der Muttergottes und der heiligen Maria Magdalena errichten zu lassen. Doch nun …«
Der Pfalzgraf wurde durch das Eintreten eines Höflings unterbrochen. »Was ist?«
»Der Krämer ist hier, Euer Gnaden.«
»Bring ihn herein!«
Der Mann verbeugte sich, verließ den Saal und kehrte kurz darauf in Begleitung eines klein gewachsenen, beleibten Mannes zurück, dessen Anblick Lauenstein erbleichen ließ. Ich hätte Fulbert Schäfflein doch aus der Welt schaffen sollen, dachte er, und seine Wut galt nun noch mehr sich selbst als seiner Tochter.
Der vom Pfalzgrafen zum Ritter geschlagene Wormser Kaufherr verbeugte sich tief vor seinem Landesherrn und beinahe unverschämt knapp vor Lauenstein. Dann entdeckte er Marie und sah so entgeistert aus, als wäre Gevatter Tod neben ihn getreten. »Bei allen Heiligen, das ist doch unmöglich!«
Herr Ludwig musterte den Mann, als wollte er bis in sein Herz schauen. »Wie du siehst, kehren die Toten zurück, um die Schuldigen anzuklagen!«
Schäfflein war als harter Geschäftsmann gefürchtet, doch das war auch für ihn zu viel. In dem Glauben, seine Mithilfe an Maries Verschwinden sei bereits entlarvt, warf er sich dem Pfalzgrafen zu Füßen. »Ich wollte es nicht tun, Herr, doch Lauenstein und seine Tochter haben mich dazu gezwungen! Sie hätten mich sonst töten lassen. Dabei bin ich der vagen Spur, die ich nach Frau Maries Verschwinden entdeckt habe, doch nur gefolgt, um der Dame helfen zu können!«
»Oh ja! Du hast mir auch geholfen, genauso wie du es mit Oda getan hast!« Marie hob den Fuß, um den wimmernden Kaufmann zu treten, ließ ihn aber wieder sinken und spie stattdessen vor Schäfflein aus. »Du erinnerst dich doch noch an Oda, die dudamals geschwängert hast, nicht wahr? Als sie in ihrer Not zu dir kam, hast du sie samt ihrem Kind in die Knechtschaft verkauft. Ich bin nicht allein zurückgekommen, Schäfflein, sondern ich habe auch deinen
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