Das Vermächtnis der Wanderhure
Mosaikstein zu den anderen gefügt. »Die Leibmagd deiner Mutter heißt Alke, nicht wahr? Und ihre Schwester ist ein hübsches, blondes Ding, das mir entfernt ähnlich sieht?«
»Ja, aber bei weitem nicht so ähnlich wie Trine, die meine Mutter vor zwei Jahren zusammen mit ihrer Schwester Mine auf eine Reise mitgenommen hat. Wir wussten lange nicht, was mit ihnen geschehen ist, doch die Leute auf der Otternburg flüstern hinter der hohlen Hand, meine Mutter habe beide umbringen lassen.« Maries Augenbrauen wanderten ein Stück nach oben. Löste sich so das Geheimnis um die Leiche, die bei Speyer gefunden und für sie gehalten worden war? Als sie jedoch weiterbohrte, konnte dasMädchen ihr keine weiteren Auskünfte geben. Wie ihre Schwestern hatte Mena vor der Geburt des angeblichen Erben auf Burg Hettenheim bleiben müssen und ihre Mutter erst viele Monate später wiedergesehen. Sie wussten nicht einmal, warum Frau Hulda sie diesmal auf die Otternburg mitgenommen hatte.
Marie fragte weiter nach ihrem Sohn, und da konnte Huldas Tochter ihr Auskunft geben. Aus ihrer Sicht wurde der Junge, der zu Maries nicht geringem Ärger auf den Namen Falko getauft worden war, von seiner Kindsmagd Beate besser versorgt, als es bei Mena und ihren Schwestern je der Fall gewesen war.
Da Hulda ihre Töchter verachtet hatte, waren die Mädchen auch vom Gesinde nicht gut behandelt worden, und man konnte es ein Wunder nennen, dass sechs von ihnen – mit Lisa sogar sieben – noch am Leben waren. Menas Worten zufolge hatte Hulda neben drei Fehlgeburten zwei weitere Töchter und den erstgeborenen Sohn noch im Säuglingsalter verloren.
Das mochte ein hartes Schicksal für die stolze Frau gewesen sein, aber Marie empfand kein Mitleid mit ihr. Das hatten die beiden hilflosen Kinder verdient, die zitternd vor ihr standen und sie anblickten, als erwarteten sie ihr Todesurteil. Sie lächelte ihnen beruhigend zu und strich der Jüngeren über den Schopf.
»Ihr seid jetzt in Sicherheit. Meine Leibdienerin wird sich um euch kümmern, bis ein Zelt aufgebaut ist, in dem ihr untergebracht werden könnt.« Sie nickte Anni zu, die ihren früheren Dienst wieder aufgenommen hatte und sich nicht davon hatte abhalten lassen, sie auf dem Kriegszug zu begleiten. Anders als sie waren Mariele und Alika eher froh gewesen, mit Anastasia und den Kindern in Nürnberg zurückbleiben zu dürfen.
Während Anni Huldas Töchter und die beiden Mägde wegbrachte, blieb Ritter Heinrich neben Marie stehen und rieb sich über das Kinn. »Was haltet Ihr von dieser Mena?«
»Es sieht so aus, als gäbe sie sich alle Mühe, nicht so zu werden wie ihre Mutter.«
»Dafür sei Gott gedankt!«
Ritter Heinrich klang so erleichtert, dass Marie ihn erstaunt ansah. »Ihr hört Euch an, als wolltet Ihr sie immer noch mit Eurem Friedrich verheiraten.«
»Das würde etliche Probleme aus der Welt schaffen. Auch wenn Rumold von Lauenstein in Ungnade gefallen ist, so ist das Mädchen mit den meisten ritterlichen Geschlechtern der Pfalz verwandt. Eine Ehe meines Sohnes mit ihr könnte uns viele Tore öffnen, und der Pfalzgraf selbst dürfte eine solche Entscheidung gutheißen.«
»Das mag sein. Doch bevor Ihr Pläne für die Zukunft schmiedet, mein Freund, sollten wir erst einmal meinen Sohn zurückgewinnen.« Marie trieb Häschen an und folgte dem Heer, das während des Zwischenfalls fast zur Gänze an ihr vorübergezogen war.
X.
H ulda von Hettenheim und Xander, der nach Tautachers Tod Hauptmann ihrer Leibwache und Kastellan der Otternburg geworden war, standen auf dem neu errichteten Wehrturm und beobachteten die Feinde, die unten im Tal ihr Lager aufschlugen und sämtliche Fluchtwege besetzten.
Xander war kein ängstlicher Mann und noch nie einem Kampf ausgewichen, doch angesichts der Krieger, die die andere Seite aufgeboten hatte, fühlte er eine gewisse Beklemmung.
»Der Kibitzsteiner hat mehr Leute auf die Beine gebracht, als Ihr erwartet habt, Herrin. Ich schätze, dass die Zahl seiner Männer die unseren um das Zehnfache übertrifft. Wenn die zum Sturm antreten, werden wir die Burg nicht halten können.«
Frau Hulda bedachte Xander mit einem spöttischen Blick.
»Keine Sorge, mein Guter! Sie werden die Burg nicht nehmen.
Zum Einen ist der Winter unser Verbündeter, zum anderen verfüge ich über Mittel, es zu verhindern.«
»Ihr wollt sie mit dem Jungen erpressen!«, stellte er mit einer gewissen Erleichterung fest. »Das dürfte die beste Verteidigung sein.
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