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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Kriegslagern hausten und mehr Opfer kosteten als die eigentlichen Kampfhandlungen. Michel hatte in weiser Voraussicht ganze Wagenladungen mit Decken, warmer Kleidung und Nahrungsvorräten besorgt, so dass die Schar, die die Otternburg umschlossen hielt, wohl besser versorgt wurde als die Belagerten.
    Für Xander stellte die Ausrüstung des feindlichen Heeres eine herbe Enttäuschung dar, und als im Wald Axtschläge aufklangen, die anzeigten, dass Michels Leute Belagerungsmaschinen und Sturmleitern fertigten, hätte er seine Herrin am liebsten beschworen, sich auf Verhandlungen einzulassen. Jede Andeutung dieser Art aber ließ Frau Hulda zur Furie werden, und daher hielt er nach dem ersten Versuch den Mund und kümmerte sich um den Zustand seiner Männer und der Wehrbauten. Vor allem der neue Turm bereitete ihm Sorgen. Nach außen hin wirkten seinesteinernen Mauern wuchtig und fest, doch im Innern bestand er nur aus stützenden Balken und Brettern. Wenn der Feind mit Feuertöpfen oder gar mit Geschützen anrückte, würde das schnell errichtete Bauwerk in Flammen aufgehen und den eigenen Leuten gefährlicher werden als den Angreifern. Nach dem Fall des Turmes aber war die Burg nicht mehr zu halten.
    Auch die Schar der Verteidiger war ein Problem, denn sie bestand hauptsächlich aus Söldnern, deren Bereitschaft, sich für Frau Hulda in Stücke schlagen zu lassen, nicht besonders groß war. Wenn es hart auf hart kam, musste er damit rechnen, dass einige, wenn nicht sogar der größte Teil von ihnen desertieren würde. Zwar hatte die Herrin auch die Knechte mit Waffen ausgerüstet, doch deren Kampfwert war nicht viel höher als der einer Magd mit einer Stricknadel. Noch hielt die Angst vor Frau Hulda die Männer bei der Stange, denn sie hielten die Burgherrin für eine Hexe.
    Jedes Mal, wenn Xander hörte, wie über Frau Hulda gesprochen wurde, fuhr er dazwischen und wies die Leute scharf zurecht. Doch dem Gesinde war das, was vor zwei Jahren hier geschehen war, im Gedächtnis geblieben, und die noch aus Herrn Falkos Zeit stammenden Mägde und Knechte hatten den neu Hinzugekommenen und den Söldnern erzählt, dass die Herrin oft Hexen und Magier aufgesucht hatte, um von ihnen in die schwarzen Künste eingeweiht zu werden. Die Tatsache, dass zwei ihrer Töchter aus Angst vor ihrer Mutter zum Feind geflohen waren, schürte die Gerüchte und ließen die Leute in der Otternburg sichtlich schaudern.
    Zu Xanders Entsetzen schien Frau Hulda die Tatsache zu genießen, dass man sie für eine gefährliche Hexe hielt. Als er ihr das erste Mal gemeldet hatte, welches Gerede in der Burg im Umlauf war, hatte sie hellauf gelacht und ihn aufgefordert, den Leuten ihren Glauben zu lassen. Sie schien auch die Belagerung auf die leichte Schulter zu nehmen, denn nach zwei Tagen ließ sieMägde, die sie als überflüssige Fresser bezeichnete, zum Tor hinaustreiben. Die Männer des Kibitzsteiners fingen die Weiber sofort ein und brachten sie in ihr Lager, um sie, wie Xander annahm, zu verhören.
    Schon am nächsten Tag zeigten sich die Folgen von Huldas Leichtsinn. Früh am Morgen gellten die Alarmhörner der Burg, denn die Angreifer rückten in geschlossener Formation vor. Sie trugen Leitern und führten mehrere mit nassen Lederhäuten gepanzerte Ochsen mit sich, die einen Rammbock die steile Straße hochzogen. Xander konnte nicht abschätzen, ob es sich bereits um einen richtigen Angriff oder nur ein Abtasten handelte. Während er seinen Leuten befahl, in Deckung zu bleiben, stieg er den Turm hoch und spähte hinunter. Einzelne Pfeile wurden in seine Richtung abgeschossen, doch die Entfernung war zu groß, als dass die Geschosse ihm hätten gefährlich werden können.
    Er lachte über die erfolglosen Versuche und beobachtete den Vormarsch, um herauszufinden, was der Feind plante. Dabei achtete er nicht auf seinen Rücken und erschrak, als er eine schattenhafte Bewegung neben sich bemerkte. Im nächsten Augenblick sah er, dass Frau Hulda auf die obere Plattform getreten war. Sie trug einen weiten Mantel, der über und über mit silbernen Monden, Sternen und astrologischen Zeichen bedeckt war. Ihre Leibmagd Alke stellte zwei brennende Öltöpfe neben sie, deren Flammen die Symbole hell aufleuchten ließen. Der Himmel war bedeckt und trotz des Sonnenaufgangs, der sich als blutroter Streifen am Horizont abzeichnete, lag eine bedrückende Dunkelheit über dem Land, so dass die von den Flammen angeleuchtete Frau weithin zu sehen war.
    »Herrin,

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