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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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darauf schalt er sich einen Narren. Noch war nichts verloren, und er würde alles tun, um Maries und seinen Sohn zu retten. Er hob den Kopf und blickte zu der Burg hinüber, die sich auf der nächsten Hügelkuppe erhob. Dort mussten Huldas Leute in letzter Zeit hart gearbeitet haben, um die veraltete Anlage auf eine Belagerung vorzubereiten. Die Mauern waren verstärkt worden, und ein neuer Turm schützte das Tor. Trotzdem schätzte Michel den Wert der Befestigung eher gering ein. Einem Heer wie dem seinen würde sie nicht widerstehen können.
    »Ja, das ist die Burg, auf der man mich gefangen gehalten hat.«Hatte Marie vorhin noch so nervös gewirkt, als hätte sie Hummeln in ihrem Hinterteil, schien sie nun völlig ruhig und gefasst zu sein. Sie lenkte Häschen sogar ein wenig von der Straße, um die Vorhut ungehindert passieren zu lassen.
    Dietmar von Arnstein ritt zu ihr, zügelte sein Pferd und zeigte lachend zur Otternburg hinüber. »Bei diesem Mäuerchen brauchen wir nicht einmal Sturmböcke. Das zerbreche ich mit meiner gepanzerten Hand!«
    »Dabei werde ich dir aber helfen müssen!«, fiel Grimald ernsthaft ein und brachte nicht nur Marie und Michel, sondern auch seinen Vater zum Lachen.
    »Das will ich auch hoffen!«, sagte Ritter Dietmar, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Aber erst einmal sollen die Knechte Katapulte und Rammböcke bauen, damit sie es nicht verlernen. In ein paar Tagen werden wir vor einer stärkeren Festung stehen, und da sind Belagerungsgeräte vonnöten.«
    Herr Dietmar winkte Marie kurz zu und machte sich an den Abstieg. Marie verharrte ungeachtet des Windes, der kalt über die Hügelkuppe fegte, noch eine Weile auf ihrem Aussichtspunkt und ließ die Otternburg nicht aus den Augen. Plötzlich rieb sie sich über die Augen und blinzelte noch einmal. Aber es war keine Täuschung. Aus einer der kleinen Ausfallspforten im hinteren Teil der Burg schlüpften Leute. Erregt wies sie in die Richtung und rief ihren Mann zurück.
    »Schau dort!«
    Michel kniff die Augen zusammen und spähte hinüber. »Das sind entweder Flüchtlinge oder Boten, die Hilfe herbeirufen sollen. Wer es auch ist, er darf uns nicht entwischen.« Er wandte sich im Sattel um und winkte Ritter Heinrich zu. »Es sind Leute aus der Burg gekommen. Sorgt dafür, dass sie gefangen genommen werden!«
    Heinrich von Hettenheim rief seinen Ältesten zu sich, der ebenso wie Ritter Dietmars Sohn bei dieser Fehde Kriegserfahrung sammeln sollte, und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
    »So, mein Junge, jetzt zeig du, was du kannst!«
    Das ließ der Bursche sich nicht zweimal sagen. Er winkte einigen Männern, ihm zu folgen, und trabte an. Sofort gesellten sich Michi und Grimald von Arnstein zu ihm, die sich das erste Abenteuer auf diesem Zug nicht entgehen lassen wollten.
    »Seid vorsichtig und lasst euch in keine Falle locken!«, schrie Ritter Heinrich ihnen nach, doch die jungen Leute drehten sich nicht einmal um. Daher zog er sein Schwert und befahl einem Fähnlein, sich für den Notfall bereitzuhalten.
    »Es könnte ein Trick der Witwe meines Vetters sein, an Geiseln zu kommen«, erklärte er Marie.
    Er musste jedoch nicht eingreifen, denn durch die winterkahlen Bäume hindurch konnte er sehen, wie Friedrich von Hettenheim und seine Begleiter die Flüchtlinge einholten und umzingelten, ohne dass irgendetwas geschah.

IX.
     
    R itter Heinrichs Sohn und dessen Begleiter brachten vier Mädchen mit, die sich in fadenscheinige Umhänge und schmutzige Schultertücher gehüllt hatten. Drei von ihnen duckten sich, als hätten sie Angst vor Schlägen, während die vierte so aufrecht ging, als hätte sie einen Stock verschluckt. Sie bedachte den jungen Hettenheim, der sie mit einem rüden Stoß vorwärts trieb, mit einem Blick, als sei er ein Frosch, der es gewagt hatte, in ihrer Gegenwart zu quaken.
    »Wer mag dieses freche Ding sein?«, fragte Michel, ohne eine Antwort zu erwarten.
    Das rundliche Gesicht der etwa Vierzehnjährigen und ihre braunen Augen brachten Marie auf den richtigen Gedanken. Sie musterte die drei anderen Mädchen, von denen zwei etwas älter zusein schienen und trotz des Schnees barfuß gingen, während das dritte ein Kind von etwa zehn Jahren war und der Anführerin der Gruppe sehr ähnlich sah.
    »Es dürften zwei von Huldas Töchtern mit ihren Leibmägden sein.« Marie winkte der älteren, die gerade an der Schwelle zur Frau stand, näher zu kommen, und fand ihren Verdacht bestätigt. Das Mädchen glich

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