Das Vermächtnis der Wanderhure
zwar mehr ihrem Vater als Hulda, war aber unverkennbar mit der kleinen Lisa verwandt.
»Wie heißt du?«, fragte Marie scharf.
»Ich bin Mena, die älteste Tochter des Ritters Falko von Hettenheim.« Das Mädchen glaubte zu wissen, wer Marie war, und wappnete sich mit ihrem ganzen Stolz für die Begegnung mit der Todfeindin ihrer Mutter.
»Weshalb habt ihr die Burg verlassen?« Ritter Heinrichs Sohn baute sich drohend vor Mena auf, ohne sie einschüchtern zu können.
»Wir wollten nicht in der belagerten Burg bleiben, denn diese Auseinandersetzung geht uns nichts an! Der Kammerbote des Pfalzgrafen war ein schwatzhafter Kerl und hat meiner Mutter und meinem Großvater erzählt, weshalb Ludwig von Wittelsbach sie zu sich nach Nürnberg beordert hat. Dabei habe ich mitbekommen, dass mein angeblicher Bruder ein Bastard ist, den meine Mutter für ihren eigenen Sohn ausgibt, um Herrn Heinrich von Hettenheim um sein Erbe zu betrügen. Aber es ist der Wille unseres erlauchten Pfalzgrafen, dass ich Ritter Heinrichs ältesten Sohn heiraten und mit diesem zusammen die Herrschaft Hettenheim weiterführen soll!«
»Ha, so eine wie dich würde ich gerade heiraten!« Friedrich von Hettenheim gab dem Mädchen einen Stoß, der es so unvorbereitet traf, dass es zu Boden fiel.
Im nächsten Augenblick saß die Hand des Vaters dem Jungen im Gesicht. »Gottloser Lümmel! Ist das deine Art, Wehrlose zu beschützen? Mach, dass du der Jungfer aufhilfst, und entschuldigedich bei ihr. Danach sorgst du dafür, dass sie und ihre Begleiterinnen gut untergebracht werden.«
Huldas Tochter erhob sich, ohne die widerwillig ausgestreckte Hand des Burschen zu ergreifen, und deutete einen Knicks vor Ritter Heinrich an. »Diese Mägde sind mit uns geflohen, weil sie nicht wollten, dass die Reisigen meiner Mutter sie in dunkle Ecken zerren und üble Dinge mit ihnen treiben, so wie sie es bereits mit anderen Frauen getan haben. Ich hoffe nicht, dass ihnen dies unter Euren Leuten droht.«
»Hab keine Sorge! Sie werden ebenso unbehelligt bleiben wie du und deine Schwester.« Ritter Heinrich nickte dem Mädchen zu und stellte ihm dann Fragen nach der Zahl der Krieger in der Burg und ihrer Wehrhaftigkeit.
Mena von Hettenheim warf den Kopf hoch. »Warum sollte ich Euch dies verschweigen? Mit meiner Mutter verbindet mich nichts mehr. Sie hat mich und meine Schwestern nie gut behandelt und mich wegen eines Bastards um mein Erbe gebracht.«
»Mein Sohn ist kein Bastard!«, fauchte Marie.
Michel legte ihr die Hand um die Schulter, um sie zu beruhigen, während Huldas Tochter die gewünschten Informationen preisgab. Laut ihrer Beschreibung befand sich mit Xander nur ein Ritter auf der Otternburg, dazu kamen zwanzig Reisige und noch einmal dieselbe Zahl an Knechten, die mit Waffen versehen werden konnten.
Marie hörte sich alles ungeduldig an und zupfte das Mädchen dann am Ärmel. »Was ist mit der Pforte, durch die ihr die Burg verlassen habt? Kann man durch sie auch eindringen?« Friedrich von Hettenheim schüttelte den Kopf. »Die Flucht der vier ist längst bemerkt worden, Frau Marie. Man hat die Pforte geschlossen und den Geräuschen nach von innen verbarrikadiert.«
»Schade!« Marie wandte sich wieder an Huldas Tochter. »So,und jetzt erzähle mir von deinem angeblichen Bruder. Wage es aber nicht noch einmal, ihn einen Bastard zu nennen!«
Das Mädchen sah sie erschrocken an und schien nun doch Angst zu bekommen. In ihrer Wut über die fortwährenden Zurücksetzungen durch ihre Mutter hatte sie sich in die Hände von deren Todfeindin begeben und begriff nun erst die Konsequenzen ihres Schritts. Wenn es Frau Marie gefiel, würde sie sie von ihren Soldaten schänden und ihr anschließend den Kopf abschlagen lassen. Zumindest hätte ihre Mutter so gehandelt. Der Trotz und der Hochmut, mit denen sie sich gewappnet hatte, zerrissen wie fadenscheiniges Tuch und darunter kam ein bleiches, zitterndes Kind hervor.
»Der Junge befindet sich im Wohnturm unter Beates Aufsicht, die sich um ihn kümmert. Uns hat unsere Mutter nicht mehr zu ihm gelassen. Sie nennt ihn zwar ständig ihren Erben, aber wir haben nie gesehen, dass sie ihn zärtlich gestreichelt oder geherzt hätte, wie man es bei einem so kleinen Jungen tut.«
»Wer ist diese Beate?« Eine ferne Erinnerung überkam Marie, die sie nicht greifen konnte.
»Die Schwester der Leibmagd meiner Mutter. Sie versorgt Falko seit dessen Geburt.«
Marie atmete tief durch, damit hatte sich wieder ein
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