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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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unwürdige Kreatur unter ihren Händen heranwächst.«
    Bei dieser Vorstellung schüttelte sie sich und begann haltlos zu schluchzen. Michel rief Anni und bat sie, sich Maries anzunehmen.
    Er selbst atmete tief durch und sah seine Freunde mit grimmiger Miene an. »Wir werden Heimtücke mit List beantworten. Zunächst tun wir so, als gäben wir uns geschlagen, und beginnen,unser Lager abzubrechen. Doch sobald es Nacht ist, stürmen wir die Burg. Vielleicht gelingt es uns in der Verwirrung, das Kind zu retten, bevor diese Hexe es verderben kann.«
    »Die besten Krieger sollen die Spitze bilden, und ihr heiligstes Ziel wird es sein, Euren Sohn zu finden. Wehe Hulda, sollte Eurem Sohn etwas geschehen sein!« Heinrich von Hettenheim klopfte gegen seinen Schwertgriff und umarmte Michel zur Bekräftigung seines Schwurs. Sie wussten, dass der Erfolg auf Messers Schneide stand, doch jeder von ihnen war bereit, das Seine zu tun.
    Dietmar von Arnstein bleckte die Zähne in Richtung der Burg, als wolle er in deren Mauern beißen. Dann wandte er sich mit einer heftigen Bewegung zu Michel um. »Wir haben die Zinnen bereits einmal gestürmt, also sollte es uns auch ein zweites Mal gelingen. So Gott will, sind wir schnell genug.«
    Michel lächelte ihm dankbar zu. »Wenn wir meinen Sohn retten können, werde ich dem heiligen Christophorus eine Kapelle bauen und mit meiner Frau eine Wallfahrt zu den vierzehn Nothelfern bei Staffelstein unternehmen.«
    »Mit welcher von beiden?«, platzte Friedrich von Hettenheim heraus. Der Lohn war die zweite Ohrfeige seines Vaters innerhalb von Tagesfrist.
    »Bürschchen, solltest du glauben, im Kreise von erwachsenen Männern frech werden zu können, werde ich dich wieder zu deinen Brüdern stecken! Hast du mich verstanden?« Ritter Heinrichs Drohung war so ernst gemeint, dass sein Sohn sich bis an die Zeltwand zurückzog und die Zähne zusammenbiss, damit ihm kein weiteres Anstoß erregendes Wort entfloh.
    Grimald gesellte sich zu ihm und versetzte ihm einen freundschaftlichen Rippenstoß. »Mach dir nichts draus! Mein Vater ist genauso streng. Doch wenn wir morgen wacker fechten, werden sie mit uns zufrieden sein.«
    Dietmar von Arnstein drehte sich zu seinem Sohn um und musterteihn spöttisch. »Das Fechten werdet ihr beide morgen bleiben lassen, denn ihr werdet das Lager bewachen!«
    »Oh nein, wir wollen doch …«
    »… tun, was euch gesagt wird!«, unterbrach Ritter Heinrich den jungen Arnsteiner scharf. »Das hier ist kein Spiel für Knaben. Außerdem müsst ihr eine wichtige Aufgabe erfüllen, doch davon erfahrt ihr später.«

XIII.
     
    U m die Verteidiger nicht zu warnen, liefen die Vorbereitungen unter einem Netz von Täuschungen ab. Heinrich von Hettenheim ließ die fast fertigen Katapulte wieder auseinander bauen und zerschlagen. Dieses Schicksal ereilte auch den Sturmbock, denn sie hatten nicht die Zeit zu warten, bis das Tor aufgebrochen war. Die Leitern blieben von dem Zerstörungswerk verschont. Statt ihrer ließ Michel lange Stangen auf den großen Haufen werfen und am späten Nachmittag das Holz in Brand setzen, um ihre Vernichtung vorzutäuschen.
    Als sich die Krieger schließlich rüsteten, schlüpfte Anni zu Michel ins Zelt und zupfte ihn am Ärmel. »Herr, Ihr müsst mir helfen! Marie will unbedingt an dem Sturm teilnehmen und ich soll ihr ein Kettenhemd und ein Schwert besorgen.«
    »Was?« Michel sprang auf und folgte ihr in Maries Unterkunft. Sie hatte sich bereits umgezogen und trug nun das russische Gewand, mit dem sie dem Eiswinter in der Steppe getrotzt hatte. Ihr Gesichtsausdruck verriet Michel, dass alle Worte vergebens sein würden.
    »Du willst also deinen Dickkopf durchsetzen. Bei Gott, am liebsten würde ich dich fesseln und auf dein Bett legen, bis alles vorbei ist! Doch das würdest du mir wohl nie verzeihen. Also wirst du wohl mitkommen. Aber du bleibst ganz hinten und betrittst dieBurg erst, wenn sie gefallen ist!« Michel atmete auf, als Marie zustimmend nickte, und trat zu ihr hin, als wolle er sie umarmen. Doch er spürte, dass Schwanhild stärker denn je zwischen ihnen stand. So tätschelte er nur ihre Wange und hauchte einen Kuss darauf.
    »Du bist ein verrücktes Weib, aber wahrscheinlich passen wir gerade deshalb so gut zusammen. Ich werde dir eine Rüstung und eine Waffe besorgen. Bete zu Gott, dass du sie nicht brauchen wirst.«
    »Wenn mein Sohn stirbt, werde ich Hulda von Hettenheim mit eigener Hand töten!« Maries Stimme klang völlig ruhig,

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