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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nun jedes Mal, wenn sie Marie oder die Kleine versorgen wollten, zuerst die anderen Waren beiseite räumen mussten. Doch bei der ersten Zollstelle sah er den Zweck dieser Maßnahme ein. Die Büttel des zuständigen Rheingrafen ließen sich die beiden obersten Kisten öffnen, warfen einen Blick auf die Frachtliste und begnügten sich mit Harros Versicherung, dass sich in den darunterliegenden Ballen und Kisten ebendiese Waren befinden würden. Neben der Summe, die der Zoll betrug, überreichte Harro ihnen noch ein paar kleinere Münzen als Trinkgeld und wurde wie ein guter Freund verabschiedet.
    Nachdem sie wieder auf dem Strom fuhren, zerrte Xander am Kragen seines Schifferkittels, den Harro ihm geliehen hatte.
    »Wie oft bekommen wir es mit diesen gierigen Kerlen zu tun? Es wäre nicht gerade gut für uns, wenn das Weib einen Laut von sich gibt oder der Balg zu plärren anfängt, wenn die hier herumschnüffeln!«
    Harro hob beschwichtigend die Hände. »Da mach dir mal keine Sorge. Meine Alte hat den beiden einen Saft gegeben, der sie sanft und selig schlummern lässt. Wir werden ihnen das Zeug auf dieser Fahrt noch ein paarmal geben müssen. Aber Vorsicht, das Kind darf höchstens zwei, drei Tropfen bekommen, hat sie gesagt, denn es muss ja regelmäßig trinken.«
    Der Ritter bedachte ihn mit einem anerkennenden Blick. »Du weißt dir zu helfen, Mann! Es ist wohl nicht das erste Mal, dass du solch eine Fracht mitnimmst.«
    »Da liegst du ganz richtig!« Harro hielt Xander für einen Vertrauten seines Auftraggebers und genoss es, seinem Drang zu erzählen keine Zügel anlegen zu müssen.
    »Es begann mit einer hübschen Magd, die eine Burgherrin unbedingt loswerden wollte. Ihr Ehemann war geradezu kopflos in das Ding vernarrt, und sie hatte Angst, er würde sich ihrer entledigen, um das schöne Kind zu seiner Geliebten machen zu können. Als Schäfflein ihr wieder einmal Stoffe und Spezereien liefern sollte, hat sie ihm ihr Leid geklagt. Ich hatte gerade die Nachricht von einer neuen Warenlieferung in sein Kontor gebracht und bin dabei ungesehen Zeuge dieses Gesprächs geworden. Als die Frau weg war, habe ich Schäfflein an Jean Labadaire erinnert, der jedes Jahr einen ganzen Schock menschlicher Ware von Südfrankreich bis nach Holland hinunterschafft. Auf ein hübsches Kind mehr, habe ich damals gesagt, wird es dem guten Jean gewiss nicht ankommen, und es ist die unauffälligste Art, so ein Ärgernis spurlos aus der Welt zu schaffen. Natürlich musste ich Schäfflein helfen, die Sache ins Reine zu bringen. Wir haben die Magd aus dem Haus gelockt, in dem ihr Liebhaber sie einquartiert hatte, sie betäubt und unter einigen Ballen Tuch nach Koblenz transportiert. Das hat uns doppelten Verdienst eingebracht, denn der brave Jean war recht großzügig und hat uns etliche Münzen für das Weib auf die Hand gezählt.
    Der Sklavenhändler scheint es gewohnt zu sein, lästige Weiber zu entsorgen, denn vor einem guten Jahr hat er Schäfflein eine Marketenderin abgekauft, die diesem Schwierigkeiten bereitet hatte. Die ist nach Worms gekommen und hat behauptet, von ihm geschwängert worden zu sein. Um größeres Aufsehen zu vermeiden, musste auch sie verschwinden, und Labadaire war von ihr so angetan, dass er seinen Beutel aufgemacht hat. Unsere jetzigeFracht, fürchte ich, wird ihn nicht so begeistern, denn er dürfte Angst haben, die Kranke könnte ihm seine übrigen Sklaven anstecken.«
    »Sie ist nicht krank, sondern nur von einer schweren Geburt geschwächt. Und jetzt schau nach vorne! Dort ragt ein Fels aus dem Wasser.« Xander gab Harro einen Stoß.
    Der Schiffer zog jedoch nur lässig das Ruder herum und umschiffte das Hindernis mühelos. »Du magst ja ein guter Kämpfer sein, aber vom Strom verstehst du nichts.«
    Sichtlich zufrieden, dem Ritter seine Überlegenheit gezeigt zu haben, setzte Harro seine Rede fort und erklärte, dass Labadaire diesmal gewiss nichts bezahlen, sondern eher noch einen Lohn für die Mitnahme der Frau einfordern würde.
    Xander winkte ab. Der Zustand der Gefangenen hatte sich in den letzten Tagen nicht weiter verschlechtert, und da Harros Frau sich mit Kräutern und Säften auskannte, nahm er an, dass sie die Kranke mit den notwendigen Tränken versorgt hatte. Am liebsten hätte er die Alte mitgenommen, um jemanden zu haben, der sich unterwegs um die Gefangene und das Kind kümmern konnte. Doch Harros Frau hatte sich nicht einmal von zwei Goldgulden, die der Kaufmann ihr auf sein Drängen

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