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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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lebhaften Gesten nach zu freuen, überhaupt etwas von ihr zu hören. Sie streichelte das winzige Händchen des Kindes und zeigte dann auf ein sauberes Stück Tuch. Als Marie der Kleinen die sich leer anfühlende Brust entzog, nahm die Mohrin ihr das Kind ab und wechselte ihm geschickt die Windeln. Dabei sah Marie, dass es sich tatsächlich um einen weiblichen Säugling handelte, und um einen allerliebsten dazu. Es war kaum zu glauben, dass Ritter Falko und Frau Hulda die Eltern dieser niedlichen Kleinen sein sollten. Marie seufzte tief, dieses Kind würde sie nicht von sich stoßen können. Es warebenso wie sie selbst ein Opfer von Frau Huldas verbrecherischen Plänen. Noch während sie darüber nachdachte, wie sie die Kleine am besten versorgen konnte, begriff sie, dass sie erst einmal herausfinden musste, welches Schicksal man ihr zugedacht hatte.
    Mühsam richtete sie sich auf und sah sich um. Sie befand sich in einer länglichen, hölzernen Kammer, deren vorderer und hinterer Teil im Dunkeln lagen. Direkt über ihr spendete eine von der Decke hängende Laterne so viel Licht, dass es der Mohrin möglich war, sich um sie und das Kind zu kümmern. Marie nahm an, dass sie und die Kleine ihr Überleben hier unten diesem Mädchen verdankten, und schenkte der Mohrin ein Lächeln. Dann versuchte sie, ein wenig mehr von ihrer Umgebung zu erkennen. Langsam wurde ihr Blick klarer, und aus dem Halbdunkel schälten sich die Gesichter von größeren Kindern und jungen Mädchen, die wiederum sie beobachteten. Als sie Maries Blick auf sich gerichtet sahen, klangen Worte in einer fremden Sprache auf und dann redete ein etwas älteres Kind eifrig auf die Mohrin ein.
    Diese antwortete mit lebhaften Gesten, drehte sich aber sofort wieder zu Marie um und setzte ihr die Öffnung eines Lederschlauchs an die Lippen. Marie verschluckte sich, so dass die Flüssigkeit über ihr Kinn lief und auf ihren Busen tropfte. Einige der Kinder, die wohl Durst litten, seufzten entsagungsvoll auf und zogen sich wieder in das Dunkel zurück. Die Mohrin beachtete sie nicht, sondern sorgte dafür, dass Marie viel trank, damit ihr die Milch nicht ausging. Dann bedeutete sie ihr, dass sie zwischen ihren Beinen nachsehen wolle. Marie öffnete gehorsam die Schenkel und sah zu, wie ihre Betreuerin ein Sacktuch entfernte, das ihr wohl als eine Art Windel gedient hatte, und den Verband abnahm, der ihre Scheide bedeckte. Dann säuberte die Mohrin sie sanft mit einem feuchten Lappen.
    Dabei konnte Marie sehen, dass ihr Unterleib von sich schonstark verfärbenden Blutergüssen bedeckt und um die Scheide angeschwollen war. Doch als sie sich krümmte und schnupperte, konnte sie nichts Brandiges riechen. Soweit sie die Zeichen zu deuten vermochte, heilten die Verletzungen, die sie sich bei der schweren Geburt zugezogen hatte, gut ab. Dennoch schauderte sie bei der Vorstellung, wie es ihr hätte ergehen können, denn sie hatte oft genug erlebt, wie elend Frauen nach einer schweren Niederkunft und unsachgemäßer Geburtshilfe gestorben waren.
    Die Mohrin rieb Maries Verletzungen mit einer schwärzlichen, widerwärtig riechenden Salbe ein, die für einen Augenblick unangenehm brannte, und befestigte den Verband wieder, jedoch so locker, dass er sich beiseite schieben ließ. Dann schlug sie ihr den Kittel nach unten und legte sich mit einem Lächeln, das durch die weißen Zähne in dem dunklem Gesicht noch breiter wirkte, neben ihre Patientin und kuschelte sich an sie. Sie schien überglücklich zu sein, dass Marie endlich zu Bewusstsein gekommen war, und brachte das durch eine Reihe fröhlich trillernder Laute zum Ausdruck.
    Maries Blick wanderte zwischen ihr und den Kindern hin und her, und sie fragte sich, wohin sie geraten sein mochte. Nun fiel ihr das Klirren von Ketten auf, das sie eigentlich schon die ganze Zeit vernommen hatte und das von außerhalb in die Kammer drang. Das hatte gewiss nichts Gutes zu bedeuten, aber solange sie niemanden fand, mit dem sie reden konnte, würde das Rätsel ungelöst bleiben.
    »Kann mich jemand von euch verstehen?«, fragte sie, erhielt aber nur unverständliche Antworten in fremden Sprachen.
    Sie holte tief Luft und bemerkte, wie stickig und feucht es in dem Raum war. Panik quoll in ihr auf, denn es war, als kämen die hölzernen Wände des Kastens auf sie zu und schnürten ihr den Atem ab. Sie schlug um sich, um sich zu befreien, doch ihre dunkelhäutige Pflegerin hielt ihr schnell die Hände fest, als hätte sieAngst, sie

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