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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auch Lisa getroffen hätte, brachte die beiden dazu, einander loszulassen. Mit Tränen in den Augen sah Marie, wie ihre Freundin zu dem prachtvoll gewandeten jungen Mann geführt wurde, der trotz seines blonden Vollbarts wie ein zu groß geratener Junge wirkte und sich auch wie ein solcher benahm. Kichernd wie ein Mädchen fuhr er Alika mit den Händen in das Hemd und bearbeitete ihre Brüste, als wolle er Teig kneten. Die junge Mohrin wagte nicht, sich zu wehren, sondern stand so starr wie eine hölzerne Statue. Dann nahmen die Männer ihren Anführer und seine Neuerwerbung in die Mitte und verließen den Markt. Das Letzte, das Marie von Alika sah, war deren tränenüberströmtes Gesicht.

X.
     
    D ie Auktion, die sich während des Auftretens der Worosansker nur auf Alika konzentriert hatte, ging nun lebhaft weiter, und das Podest leerte sich zusehends. Die meisten der jungen Sklaven gingen an Leute, die Geld genug besaßen, um sich etwas leisten zu können, und die es den Tataren gleichtun wollten. Da die Steppenreiter Sklaven besaßen, sahen auch sie es als ihr gutes Recht an, menschliches Vieh zu halten. Die Mädchen würden irgendwann im Bett ihres Besitzers oder in denen seiner Söhne landen und die Jungen in Tretmühlen rennen oder die schmutzigsten und gefährlichsten Arbeiten verrichten müssen. Anfangs war Marie froh, dass sie selbst nicht beachtet wurde. Die lange Krankheit nach der Geburt, die Seereise ohne Sonne und frische Luft und das einseitige Essen hatten ihr zugesetzt, und seit sie ihrSpiegelbild im Wasser gesehen hatte, wusste sie, dass man sie für älter halten musste, als sie wirklich war. In ihrer Angst, in einem der billigen Bordelle zu landen, machte sie sich klein, um in der Masse der Sklaven nicht aufzufallen.
    Dem Händler wurde es schließlich zu dumm. Er wies auf die letzten drei Sklaven, die er bewusst zurückgehalten hatte, und dann auf Marie. »So, Leute, bevor es an diese drei Prachtstücke geht, muss die Alte da weg.«
    »Für ein paar Denga nehme ich sie«, rief ein heruntergekommen aussehender Mann und bewegte dann lachend seine Hüften vor und zurück.
    Marie verstand zwar seine Worte nicht, begriff aber, was er meinte, und kroch noch mehr in sich zusammen. Der Kerl sah so aus, als müsste sie nicht nur ihm zu Willen sein, sondern auch jedem dahergelaufenen Kerl, der bereit war, ihm eine Münze für ein paar Augenblicke mit ihr zu zahlen.
    Ehe der Händler antworten konnte, wurde es vor dem Podest unruhig. Ein Pulk bewaffneter Knechte schuf unter heftigen Protesten der Einheimischen eine Gasse, durch die sich in lange Gewänder gehüllte Frauen dem Podest näherten. Deren Anführerin trug so viele Schichten wallenden Stoffes, dass Marie nur ein bleiches, von einer Kappe und etlichen feinen Tüchern umrahmtes Gesicht mit großen, dunklen Augen erkennen konnte. Die Frau starrte mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination auf das Podest und schien zu schwanken. Sofort bemühte sich der Händler, die offensichtlich wohlhabende Dame auf sich aufmerksam zu machen. Diese drehte ihm jedoch den Rücken zu und redete auf eine ältliche Untergebene ein.
    Als der Sklavenhändler schon ärgerlich abwinken und sich dem anderen Kunden zuwenden wollte, trat die Matrone näher und fuhr ihn an. »Du bist eine Bestie! Wie kannst du diese Frau an den Erstbesten verkaufen wie ein Stück Vieh? Siehst du nicht, dass sie die Mutter eines kleinen Kindes ist?«
    Der Mann zuckte unter den harschen Worten zusammen und hob in einer beschwichtigenden Geste die Arme. »Verzeiht, Herrin, doch es ist mein Beruf, für dieses Gesindel Interessenten zu finden, und ich weiß wirklich nicht, was daran schlecht sein soll. Das Weib hier ist nicht mehr die Jüngste, und daher werde ich wohl kaum einen gut zahlenden Käufer dafür finden. Glaubst du, es sei besser, wenn ihr jetziger Besitzer sie samt dem nutzlosen Balg im Fluss ertränkt?«
    Marie verstand den Mann zwar nicht, entnahm aber seinem Gesichtsausdruck, dass sie nichts Gutes von ihm zu erwarten hatte. Doch als die hochrangige Dame sich dem Podest näherte, trat ein Glitzern in die Augen des Händlers, und seine ganze Haltung wurde noch devoter als bei dem Edelmann, der Alika gekauft hatte. Für einen Augenblick erloschen alle Gespräche um das Podest, so dass man das Rascheln der Gewänder hören konnte, die die Dame trug, und Marie fürchtete schon, dass die Frau, die offensichtlich Interesse an ihr hatte, vor Entkräftung zusammenfallen würde, ehe sie

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