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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Klingeln nach Gold enthielt. Einige Münzen wechselten den Besitzer, dann erhielt Marie einen Stoß, der sie vom Podest trieb. Sie konnte gerade noch verhindern, dass Lisa ihr aus den Armen rutschte, undfiel unfreiwillig vor der Fürstin in die Knie. Diese beachtete sie jedoch nicht, sondern tippte ihrer Haushofmeisterin auf die Schulter und wies auf Stände mit wertvollen Tuchen. Die Dienerin, die Lisa im Arm gehalten hatte, hob Marie auf die Füße und erklärte ihr mit Gesten, der Herrin in respektvollem Abstand zu folgen.

XI.
     
    D as Gebäude, in dem der Fürst von Worosansk und seine Gemahlin wohnten, zählte zu den Gästehäusern im Kreml von Pskow, in denen man die hochrangigen Gäste anderer Städte und Fürstentümer unterbrachte, doch es wirkte so schäbig, als habe man es zwischendurch als Pferdestall benutzt. Es stand in der Nähe der dem großen Tor gegenüberliegenden Festungsmauer und enthielt jene große Halle, in der sich die Edelleute am Morgen um ihren Fürsten versammelt hatten. Nachts schliefen das zahlreiche Gesinde darin und auch jener Teil der Leibgarde, die aus Worosansker Waffenknechten bestand. Dimitri, seine Gemahlin und die sie begleitenden Adeligen verfügten über mehrere kleinere Kammern. Zu dem Komplex gehörte eine Küche, die wegen der Brandgefahr ein Stück abseits lag, und ein Stall, der direkt an die Halle angebaut war. In diesem hatte man neben den Pferden der fürstlichen Reisegruppe auch jene Ziege untergebracht, deren Milch für den Sohn des Fürsten bestimmt war. Eine Dienerin führte Marie zu dem Tier und erklärte ihr gestenreich, dass sie Lisa ab jetzt mit dessen Milch füttern müsse, da ihre eigene Milch für den jungen Fürsten bestimmt sei.
    Marie wusste, dass Lisa noch eine Weile auf Muttermilch angewiesen war, und fragte sich, wie sie das Mädchen, das ihr wie eine eigene Tochter ans Herz gewachsen war, unter diesen Umständen am Leben erhalten konnte. Irgendwie musste es ihr gelingen,der Kleinen ebenfalls die Brust zu geben. Während sie überlegte, wie sie das anfangen konnte, achtete sie nicht auf ihre Begleiterin und erhielt von dieser einen schmerzhaften Rutenhieb. Dann prasselte ein Schwall ärgerlich klingender Worte auf sie ein, doch sie konnte nur hilflos die Hand heben. »Ich verstehe dich doch nicht!«
    Die Antwort der Magd klang wie: »Dann lerne es gefälligst!«
    Marie blickte die Frau verzweifelt an und nahm sich vor, sich so schnell und so viel wie möglich von der in diesem Land gebräuchlichen Sprache anzueignen. Wenn sie sich unter diesen Menschen behaupten wollte, musste sie rasch lernen, sie zu verstehen, denn nur so würde sie einen Weg finden, der sie in die Heimat zurückführte. Wie einst, als sie als Wanderhure nur von der Vorstellung aufrecht gehalten worden war, sich an ihrem Verderber zu rächen, klammerte sie sich nun an den Gedanken, Hulda ihren Sohn zu entreißen und ihn Michel in die Arme zu legen. Sie spürte, wie die Lähmung ihres Geistes, die durch die erzwungene Tatenlosigkeit im Bauch der Geit entstanden war, langsam von ihr wich und sie zu sich selbst zurückfand. So fiel es ihr nun leichter, den Erklärungen der Magd zu folgen, die ihr einige Gegenstände zeigte, deren Namen nannte und ihr vorführte, wie sie zu benutzen waren. Dabei nahm sie wahr, dass die russische Sprache eine Ähnlichkeit zu der böhmischen aufwies, von der sie vor einem guten Jahr genug gelernt hatte, um sich verständigen und die Taboriten belauschen zu können. Das gab ihrer Hoffnung Auftrieb.
    Die Magd führte Marie nun wieder in das Hauptgebäude und machte ihr begreiflich, dass sie die Kammern der Fürstin und ihres Ehemanns zu meiden hatte. Sie wies ihr jedoch keinen Platz in der Halle an, sondern führte sie zu einem Verschlag, der gerade lang genug für den Strohsack war, der ihr als Lager dienen sollte, und so breit, dass ein schmaler Spalt zwischen dem Bett und einer an der Wand befestigten Bank frei blieb. Auf diese sollte sie sich setzen, wenn sie den Fürstensohn stillte.
    Man ließ ihr kaum Zeit, sich etwas auszuruhen oder genügend zu trinken, so eilig hatte es die Haushofmeisterin der Fürstin, sie in ihre Pflichten einzuführen. Die Frau forderte Marie barsch auf, ihre Brüste zu enthüllen, öffnete ihr, als Marie noch versuchte, ihre Worte zu verstehen, selbst das Mieder und schlug dann auf eine Marie fremde Art das Kreuz. Dann blickte sie zur Tür hinaus und rief etwas.
    Sofort erschien ein hagerer Mann zwischen vierzig und

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