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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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befestigt waren, so wie Marie es von zu Hause gewöhnt war, sondern wie bei ärmeren Leuten von Dreifüßen herab, die über kleinen Feuern standen. Auch der Schutz gegen Funkenflug war nicht gemauert, sondern bestand aus gegerbten Tierfellen. Ähnlich primitiv wirkten die übrigen Gerätschaften. Marie hatte sich auf ihrer Wanderschaft und in Böhmen mit weitaus einfacheren Mitteln behelfen müssen und ließ sich daher nicht entmutigen. Nach einem freundlichen Gruß an die Mägde, die in der Küche arbeiteten, suchte sie alles zusammen, was sie brauchte, um die Ziege zu melken und deren Milch ein wenig anzuwärmen, damit Lisa sie besser vertrug.
    Dank ihrer langen Freundschaft zu Hiltrud wusste Marie, wie Ziegen zu behandeln waren, und erhielt genug Milch, um mehr als einen Säugling satt zu bekommen. Sie maß einen ihr ausreichend erscheinenden Teil ab, goss diesen in einen sauberen Krug und stellte ihn neben eines der Feuer. Dann drehte sie sich zu denMägden um und bat mit Gesten um ein Stück Tuch. Als sie das Gewünschte erhielt, hatte sie weitere russische Worte gelernt. Sie drehte das frisch gewaschene, wenn auch schon zerrissene Leinen wie einen Docht zusammen, tauchte es in die Milch und drückte es Lisa zwischen die Lippen. Die Kleine spuckte erst und wollte das feuchte Tuch abwehren, dann aber spürte sie die warme Milch und begann eifrig zu lutschen.
    Marie fiel ein großer Stein vom Herzen, denn nun mochte es ihr gelingen, ihr kleines Würmchen am Leben zu erhalten. Nachdem Lisa satt war, teilte sie den Rest der Milch mit den beiden Mägden und bekam dafür eine große Schale Gerstenbrei mit Fleisch und eine Art Tee aus bitter schmeckenden Kräutern. Während sie aß und trank, schlummerte Lisa auf ihrem Schoß, und so ließ sie sich von den Mägden die Namen weiterer Gegenstände und Lebensmittel nennen. Zwar konnte sie sich nicht alles merken, doch sie bedankte sich mit einigen Worten, die sie nun gelernt hatte, und erntete ein Lächeln. Als sie zu ihrer Kammer zurückkehrte, ahnte sie nicht, dass sie die Frauen mit ihrer geschickten und ruhigen Art beeindruckt hatte und das übrige Gesinde bald davon erfuhr.

XII.
     
    N achdem Pantelej die neue Amme des kleinen Fürsten widerwillig gesegnet hatte, verließ er den vorderen Teil des Gebäudes und schritt mit wehender Kutte durch die Halle, um jene Räume aufzusuchen, die Fürst Dimitri bewohnte. Seit der Herr von Worosansk mit der neuen Sklavin vom Markt zurückgekehrt war, hatte er seine Kammer nicht mehr verlassen. Seine Gefährten saßen derweil in einer Ecke der Halle und leerten aus Langeweile einen Becher nach dem anderen. Dabei unterhielten sie sich, wie oft der Fürst die schmucke Rappstute denn heute bereitenwürde, und Andrej machte wie gewohnt seine Scherze darüber. Sein Onkel Lawrenti saß mit grimmiger Miene dabei und fuhr die Jüngeren manchmal scharf an. Doch auch jetzt erntete er für seine Ermahnungen nichts als Gelächter.
    Das verstummte, als der Priester zu ihnen trat. »Hat unser Fürst dieses Höllengeschöpf immer noch in seiner Kammer?«
    Lawrenti nickte. »Gott sei es geklagt! Er ist nicht mehr herausgekommen und hat auch kein einziges Mal nach Wein verlangt.«
    »Was sagst du da? Das klingt nicht gut.« Pantelej war der Beichtvater des jungen Fürsten, seit dieser die ersten Schritte getan hatte, und kannte dessen Schwäche für schwere Weine. Wenn Fürst Dimitri tatsächlich kein Interesse für sein Lieblingsgetränk zeigte, musste das schwarze Weib ihn schon jetzt verhext haben. »Ich werde zu ihm gehen und ihm ins Gewissen reden.« Der Priester drehte sich um, doch ehe er den ersten Schritt auf die von zwei Wachen flankierte Tür zu machen konnte, rief Andrej ihn zurück.
    »Tu das lieber nicht, ehrwürdiger Vater! Unser Herr kann ziemlich zornig werden, wenn man ihn bei dem stört, was er gerade macht.«
    »Du sprichst ja aus Erfahrung, wie ich weiß!«, spottete Lawrenti ätzend, und die anderen Edelleute schlugen sich vor Vergnügen auf die Oberschenkel. Vor nicht allzu langer Zeit war Andrej in die Schlafkammer des Fürsten geplatzt, als dieser eine Magd zu sich gerufen hatte, und hatte eine noch halb volle Weinkanne an den Kopf bekommen.
    Pantelej teilte die Heiterkeit der jungen Edelleute nicht, sondern legte die Hand um das stattliche Kreuz auf seiner Brust, als müsse er sich daran festhalten. »Fürst Dimitri muss lernen, seine Leidenschaften zu bezähmen. Sonst steht es schlecht für unser Land.«
    Die jungen

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