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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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und
träumte von Nerina. Wie mochte es ihr ergangen sein? Wie mochte sie die Flucht
mit Enrico bewältigt haben? Inwiefern hatte sie sich verändert? Hatte sie ihn
bereits vergessen? Das war es, was er am meisten fürchtete, dass sie ihn aus
dem Gedächtnis verloren hatte, wie man beim Reisen einen Handschuh verlor oder
eine Stiefelschnalle, aus Unachtsamkeit und zufällig. Schließlich hatte er es
sich verboten, ihr zu schreiben, da er zu Recht vermutete, dass seine
Korrespondenz überwacht wurde. Jetzt befand er sich persönlich auf dem Weg zu
ihr und hoffte. Er hatte das Schiff genommen, weil er der einzige Passagier auf
der Galeone war, die Öl nach Neapel brachte, um Wein von dort wieder mitzunehmen.
    Der Himmel, der über ihm schwebte
wie weiße Gaze, besaß die Elfenbeinfarbe von Julias Haut. An ihre letzte
Begegnung erinnerte er sich. In einer Seitengasse nahe des Palazzo Madama,
hinter San Luigi dei Francesi hatte er auf sie gewartet. Erst als die Sonne
beinahe senkrecht in die Gasse hinunter leuchtete und er beinahe einem
Hitzschlag nahe war, war sie aufgetaucht, nur gekleidet in ein duftiges Leinen,
das Falten über der Brust warf und von einem Schal lose über der Hüfte
zusammengehalten wurde. Ihre Füße staken in polierten Holzschuhen, und sie hatte
sich Bänder ins Haar geflochten.
    „Lass uns in die Pincio-Gärten
gehen. Um die Mittagszeit ist dort niemand!“
    So hatte sie ihn begrüßt, ihn
untergefasst und in Richtung Piazza del Popolo gezogen. Ihre Brust hatte sich
an seinen Arm gedrückt. Sie hatte ihm kurz den Kopf auf die Schulter gelegt.
Enrico hatte gefühlt, dass sie unter dem Leinenkleid weiter nichts trug. Ein
verliebtes Paar, waren sie die Via Ripetta hinauf geschlendert, hatten die
Piazza überquert und waren zu den Gärten hochgestiegen, in denen die Weinreben
erste Triebe ansetzten und sich an manchen Stellen zu einem beinahe
undurchdringlichen Dickicht verwoben.
    Auf dem Weg dorthin, hatte er
versucht, Julia unauffällig zu befragen.
    „Warum hat dich Del Monte Kardinal
Borghese überlassen? Das Essen kann nicht der einzige Grund gewesen sein.“
    Sie sah ihn von der Seite her an.
    „Mit den römischen Gepflogenheiten
seid Ihr noch nicht vertraut, Enrico. Kardinal Del Monte, Giovan Battista
Merisi, Cavaliere d’Arpino, sie alle gehören derselben Gemeinde an. Sie pflegen
die Männerliebe.“
    „In diese Runde passte keine ...
schöne Frau!“
    Enrico ergänzte den Satz. „Eine
Frau mit üppigen Formen“, hatte er sich nicht zu sagen getraut, obwohl er wusste,
dass Julia heute nichts dagegen gehabt hätte.
    „Ja. Sie pflegen ein anderes
Schönheitsideal als füllige Brüste und runde Hüften. Michele bemerkte es erst
nicht. Sein Interesse galt den Bildern, nicht den Knaben, die er dafür als
Modell benutzte. Ihn interessierten Knaben anfänglich nicht. Ich weiß es.
Schließlich hat er mir nachgestellt und unter den Rock gegriffen.“
    Vor ihrem Aufstieg in die Pincio-Gärten
hätten sie Wasser und Wein mitnehmen sollen. Enricos Zunge klebte trocken am
Gaumen. Allein der Gedanke daran, wie Michele Julias Haut berührt hatte, ließ
ihn schlucken.
    „Dann ist er vom Regen in die
Traufe geraten.“ Enrico leckte sich über die Lippen, die sich rau und spröde
anfühlten. „Als er sich mit dem Cavaliere d’Arpino auseinandergelebt hatte und
zu einem ernstgemeinten Konkurrenten herangewachsen war, wollte er den
Dunstkreis des männerliebenden Malers verlassen und geriet in die Höhle des
Löwen. Des Mannes, der Männerliebe auch in seinen künstlerischen Ausprägungen
lebte.“
    Deshalb die Angst des Cavaliere
d’Arpino vor der päpstlichen Inquisitionsbehörde, deshalb seine Vorsicht, was
die Bilder anbelangte. Als Enrico das begriffen hatte, war ihm leichter zumute.
Damit konnte sein Herr etwas anfangen, damit konnte er arbeiten und vermutlich
seine Anwartschaft auf eine Kardinalsstelle untermauern. Wenn er dann noch
einige Bilder Caravaggios anbot und den Sammler Scipione Borghese damit köderte,
konnte es ihm gelingen.
    Julia holte ihn aus seinen
Überlegungen. Sie zog ihn unter einige überhängende Zweige und einen kleinen
Hügel hinauf. Bereits nach wenigen Schritten waren sie vom Weg her nicht mehr
zu sehen. Noch etwas erhöht durch den ansteigenden Hang, drehte sie sich um, sodass
ihr Gesicht etwas über das seine hinausragte, und zog seine Lippen zu den
ihren. Dafür musste sie sich leicht nach unten beugen. Ihre Brüste berührten
seine Schlüsselbeine und er fühlte

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