Das Vermaechtnis des Caravaggio
durch das dünne Leinen hindurch ihre festen
Warzen.
Unter dem Licht des Tyrrhenischen
Meeres rekelte sich Enrico faul, als er an das Liebesspiel dachte, das sich an
diesen Kuss angeschlossen hatte. Wie ein Feuer hatten sie sich verzehrt. Wie
ein Sturm war Julia über ihn gekommen, und er hatte sich nicht gewehrt, obwohl
er an Nerina gedacht und sich für einen kurzen Moment schuldig gefühlt hatte.
Er selbst hatte sich aus Rom
fortgeschlichen wie ein elender Verräter. Niemandem, schon gar nicht Julia,
hatte er davon erzählt, dass er nach Neapel aufbrechen würde.
Hinter dem feinen Strich des
Horizonts, an dem der elfenbeinerne Himmel in ein nur unmerklich dunkleres
Wasser überging, stauten sich Wolken. Sardinien, vermutete Enrico. Dorthin und
weiter nach Westen, und all diese Intrigen, die Verfolgungen, diese Kabbalen
wären vorüber. Auf dem Meer fühlte er, dass er sich von der Enge der
menschlichen Natur befreien konnte, dass er sich zu lösen vermochte von den
Ketten des Daseins.
Dabei bildete er selbst nur ein
Glied in der Kette der Ereignisse. Seine Mission in Neapel diente mehreren
Zwecken: Einmal wollte er natürlich Nerina wiedersehen, zum anderen aber musste
er Michele von einem Plan überzeugen, den Ferdinando Gonzaga entwickelt hatte
und den er selbst für höchst interessant hielt.
Wenn der Papst in die Vorfälle um
das Ballspiel auf dem Campo Marzio verwickelt war, dann musste es gelingen,
denselben Papst mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Er sollte Michele
begnadigen, ihm seine Ehre wiedergeben und ihn höchstpersönlich nach Rom
zurückholen. Von Michele brauchten sie dafür nur eines: Bilder. Mit diesem
Schachzug gelang es vielleicht, den absehbaren Schwenk des Papstes in die
konservative spanische Ecke zu verhindern. Ließ er nicht gerade den Petersdom
von allen Bildwerken säubern, die an eine kirchliche Erneuerung erinnerten?
Fromm wirkte er, dieser Paul V., fromm und ein wenig bigott, aber hinter der
Larve eines Heiligen versteckte sich eine berechnende Persönlichkeit, und die wägte
ihre Vorteile sehr genau ab. Ihr einen Caravaggio in den Pelz zu setzen, wäre
ein Meisterstück. Zwar konnte er es kaum glauben, dass dieser kaum
zwanzigjährige Gonzaga bereits ebenso gerissen handelte und dachte wie sein
Vater, aber eben diese Idee hatte ihn überzeugt. Wenn es gelang, dann konnte
dieser Papst in den Händen der Reformer wie eine Marionette bewegt werden.
Wachs wäre er, weich und knetbar, und die in den letzten Jahren wie ein
Damoklesschwert über der Christenheit lastende Kriegsgefahr wäre vermutlich
abgewendet. Natürlich wollte niemand einen Krieg, aber die Stärke der
Gegenreformation nahm von Tag zu Tag zu, die Unerbittlichkeit der
Auseinandersetzung verschärfte sich, und wenn auch die Liga der Franzosen
zusammen mit den Italienern in Rom endlich ein Gegengewicht zu Spanien erlangt
hatte, war doch die italienische Fraktion selbst noch zu schwach, um die
Führung zu übernehmen.
Enrico fühlte, wie ihn die
Gedankengänge im Rhythmus der See bewegten, wie sie ihn wiegten und ebenso
scharf gediehen wie von leichtem Wind bewegte Wellenspitzen.
Über seinen Überlegungen musste er
eingeschlafen sein, denn als er erwachte, leuchtete über ihm ein riesiges Band
aus Sternen, die Milchstraße, die bereits langsam zu verblassen begann. Zuerst
verwundert, betrachtete er das Schauspiel des Lichterbandes, bis er begriff, dass
es früh am Morgen sein musste. Sein Rücken schmerzte vom gerollten Tau, das ihm
als Liegestuhl gedient hatte. Trotzdem konnte er den Blick nicht von diesem
hellen Lichterstreifen abwenden. Wie ein Weg von Rom nach Neapel und zurück
erstreckte sich die Milchstraße, und er sah darin eine symbolische Bestätigung
seiner Mission.
Wenn es ihm gelänge, Michele von
seinem Plan zu überzeugen, wenn er ihn einweihen könnte in dieses Spiel der
Kräfte, dann würde sich auch für ihn selbst die Situation ändern. Aus dem
Sekretär eines Adeligen aus Mantua würde möglicherweise der Berater eines
Kardinals werden.
Zufrieden lehnte er sich in seiner
Taurolle zurück und erinnerte sich zugleich an Nerina und Julia. Er begann ihre
beiden Körper zu vergleichen, den hellen Julias mit dem eher dunklen Nerinas,
den er so noch nicht kannte, den er nur erahnte und in seiner Fantasie erschloss.
Eine heftige Schiffsbewegung ließ
ihn aus seinen Träumen auffahren. Matrosen riefen einander Handgriffe zu,
Offiziere bellten Befehle. Das Schiff krängte plötzlich auf die andere
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