Das Vermaechtnis des Caravaggio
Miene. Sie forschte in seinen Gesichtszügen, dann schloss
sie die Augen und hob leicht das Kinn. Ihre Lippen entkrampften sich. Enrico
griff unter ihren Nacken, stützte sie und küsste sie lange auf den Mund. Ihre Lippen
fühlten sich kühl an und Enrico wärmte sie, ihre Zungen fanden sich und lösten
sich lange nicht mehr voneinander, und ohne ein Wort zu sagen, begannen sie,
einander zu entkleiden.
Die Zeit verflog in der Heftigkeit
ihres Wiedersehens, und erst ein Kanonenschuss brachte sie zu sich selbst
zurück.
„Ein Schiff läuft in den Hafen ein!“,
erklärte Nerina, während sie sich auf ihm bewegte, als schaukle sie selbst auf
den Wellen ihrer Erregung, bis eine Woge der Lust sie zittern ließ.
Enrico, erschöpft und zufrieden,
drückte sie an sich.
„Micheles Schiff?“
„Möglich, Enrico.“ Sie rang nach
Atem und sprach stoßweise. „Wir sollten zum Hafen hinuntergehen. Aber dafür ist
noch Zeit.“
Noch einmal drückte sie sich an
ihn, bewegte sie ihren Schoß auf seinen Lenden und weckte erneut seine noch
glimmende Gier nach ihrer Hitze. Sie lachten und kicherten, und aus ihrem Spiel
erwuchs ein heftiger Kampf um eine letzte, beinahe verzweifelte Lust, die beide
hin und her warf und schließlich außer Atem und schweißnass nebeneinander
niedersinken ließ.
„Wie willst du Michele vom Boot
herunterholen, wenn es die Diana ist? Er ist krank! Jeder Schritt fällt ihm
schwer.“
„Ich weiß es nicht. Eines ist
jedoch sicher, wenn es das Schiff ist, das den Kalkstein aus Cefalù geholt hat,
dann ist es damit nach Malta unterwegs und nicht nach Neapel. Wenn Michele das
Schiff nicht verlässt, fährt er damit seinem Todesurteil entgegen.“
Enrico wälzte sich zu Nerina
hinüber und drückte ihr einen Kuss auf den Mund und auf beide Brüste. Für einen
Augenblick presste sie seinen Kopf fest an sich, dann erhoben sie sich. Rasch
sammelten sie ihre Kleidung auf, schlüpften hinein und verließen das Haus in
Richtung Hafen.
27.
„Unser Plan gelingt, Nerina!“
Nerina stopfte sich ihr Haar unter
das Kopftuch. Sie steckte in dunkler Fischerkleidung. Sogar das Gesicht hatte
sie sich eingefärbt, damit es in der Dämmerung nicht so auffiel. Mit beiden
Händen hielt Enrico sie an den Schultern fest, dann drückte er sie kurz an sich.
Schließlich schob er sich die Kapuze seiner Kutte über. „Wenn dennoch etwas
schieflaufen sollte, musst du sofort aus Palermo fliehen. Versprich es mir!“ Nerina
nickte, und Enrico trat aus dem Schatten der Chiesa della Catena und machte
sich auf den Weg zum Schiff.
Es war tatsächlich die Diana
gewesen, die mit ihrer Fracht aus Steinen im Hafen von Palermo eingelaufen war.
Der Morgen brach an, und ein erstes
Grau lag über dem Hafen von Palermo. Nur die Fackeln, die, rund um das Schiff
verteilt, das Deck der Diana nachts hell erleuchteten, warfen ihre zappelnden
Schatten. Sie tauchten das gesamte Schiffsdeck in Helligkeit, sodass es von
zwei Wachen, die beständig auf und ab patrouillierten, im Auge behalten werden
konnte. Die am Mast aufgespießten Ratten zeigten deutlich, wie wenig Aussicht
auf Erfolg ihr Plan tatsächlich hatte. Selbst diesen Kreaturen war es nicht
gelungen, das Schiff heimlich zu verlassen, um wie viel weniger würde es
Michele gelingen. Allerdings brannten die Fackeln langsam nieder und wurden
wegen des anbrechenden Tages nicht erneuert.
Während Enrico im Habit eines
Franziskaners langsam auf das Schiff zuschritt, erschien ihm der Entschluss,
den sie gestern Nacht nach langem Hin und Her schließlich gefasst hatten,
verrückt. Sie wollten Michele befreien, ohne zu wissen, ob er sich überhaupt
noch in einer der Kabinen am Heck der Diana befand. Mit jedem Schritt, den er
sich der Diana näherte, schien ihm ihre Aktion verwegener und weniger
durchdacht. Wenn nur eine der Wachen Verdacht schöpfte, weil er selbst unsicher
wirkte, dann konnten sie mit ihrem Leben abschließen – und Michele war
verloren.
Dabei empfand er Unverständnis dafür,
dass Michele nicht bemerkt haben sollte, dass es sich bei den Männern auf
diesem Schiff nicht um Frachtmatrosen handelte. Ihre Kleidung strahlte eine
unglaubwürdige Frische aus, weil sie kaum gebraucht war. Wie Marionetten
wirkten die Matrosen, die man umgezogen hatte und denen die neue Kleidung erst
angepasst werden musste. Selbst ein Blinder hätte dies erkennen müssen.
Ein Schlag hallte über den Hafen
und verlor sich im Echo. Enrico ertappte sich dabei, wie er zusammenzuckte.
Vorsichtig
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