Das Vermaechtnis des Caravaggio
mit Lena an den Tiber
hinabgegangen ist?“
Cecilias Augen weiteten sich vor
Entsetzen. Sie öffnete den Mund zu einem Schrei, der sicherlich alle Bewohner
des Hauses zusammengerufen hätte. Und jetzt wusste Nerina auch, warum sie von
Cecilia bis hierher in den hintersten Winkel gebracht worden war.
„Ich habe Euch von der Ferne
gesehen und ich bin ein Freund Lenas“, beeilte sich Nerina zu versichern.
Langsam nur beruhigte sich Cecilia.
Nerina fühlte, wie sie neben ihr zitterte. Leicht legte sie eine Hand auf ihre
Schulter und streichelte sie.
„Und?“
„Ihr habt recht. Zuerst ist er mit
uns beiden vom Fischmarkt weggegangen. Aber dann hat er an Lena offenbar mehr
Gefallen gefunden und mich weggeschickt.“
„Und doch habt Ihr Euch Hoffnungen
auf Verdienst gemacht?“
„Kräftig genug sah er aus. Und
wohlhabend. Nein. Ich bin den beiden einige Zeit später nachgegangen und wollte
mich rächen, indem ich Lena bei der Arbeit störte. Aber Lena hat nicht mehr
gearbeitet. Sie lag da, als würde sie schlafen. Und als ich ihren Kopf berührt
habe, fiel der zu Seite. Sie war tot.“
Plötzlich schluchzte Cecilia auf
und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Keinen Wimpernschlag später hörte
Nerina bereits eine tiefe weibliche Stimme, deren Kollern auf eine kräftige
Person mit schweren Atemproblemen schließen ließ, die sich danach erkundigte,
wie es ihr gehe.
„Gut“, antwortete Cecilia. „Keine
Probleme.“
Sie wischte sich übers Gesicht und schnäuzte
in eine Hand, die sie am Lumpenberg säuberte, bevor sie fortfuhr.
„Ich wollte eben schreien, als ich
von hinten gepackt wurde. Gewehrt habe ich mich, aber der Kerl war stärker. Auf
den Steinen hatte er es nicht leicht mit mir. Er ist gestolpert und hat mich
dabei losgelassen. Wie der Blitz bin ich auf und zum Tiberufer gerannt. Es war
Vollmond und alles zu sehen. Wir Dirnen kennen uns dort unten gut aus, deshalb
war ich schneller als er. Trotzdem hat er mich erwischt, hier am Fuß, mit einem
Messer. Zum Glück bin ich ins Wasser gestürzt, und er hat sicher geglaubt, ich
würde ertrinken, weil er noch eine ganze Zeit am Ufer gestanden hat. Ich habe
so getan, als könnte ich nicht schwimmen und hab mich flussabwärts treiben
lassen.“
Steif und überrascht saß Nerina auf
dem Lumpenberg und hörte der halb geflüsterten Beichte Cecilias zu.
„Und jetzt befürchtest du, dass er
noch einmal kommt und dich entdecken könnte. Deshalb verbirgst du dich.“
Cecilia nickte. Mit dem Kinn
deutete sie nach draußen, in Richtung der Stimme von eben.
„Sie hat ein Auge auf die Mädchen
hier, aber ganz sicher bin ich nicht. Ich muss arbeiten und auf die Straße
hinaus.“
In Nerinas Kopf verknoteten sich
die Gedanken.
„Ist dir an dem Kerl irgendetwas
aufgefallen? Eine Narbe, ein Ring, eine Kette?“
„Sein Ring! Er trug einen Ring am
Daumen. Sicher würde ich ihn wiedererkennen, wenn er sich hierher getraut.
Lebend würde er das Viertel nicht verlassen.“
Nachdenken musste sie jetzt,
einfach nachdenken. Das alles passte zwar zusammen. Ihre Beobachtung, der Ring.
Aber Lenas Tod blieb unklar. Nerina drängte noch eine letzte Frage, obwohl sie
bereits gehen wollte, um Cecilia nicht weiter zu belästigen.
„Warum hat der Kerl das getan?“, fragte
sie halblaut.
„Er hat sich Lena regelrecht
ausgesucht. Den ganzen Abend ist der um die Mädchen herumgeschlichen und hat
gefragt.“
Plötzlich wurde Nerina hellhörig.
Sie drückte Cecilia die Münze in die Handfläche und schloss ihre Finger darum.
„Gefragt?“
„Ja, er wollte wissen, wer von den
Mädchen den Maler Caravaggio kenne.“
„Und du kanntest ihn nicht?
„Nur dem Namen nach, aber Lena
hatte ihm schon Modell gesessen!“
In ihr Gespräch hinein begannen
plötzlich die Glocken Roms zu lärmen. Vom Petersdom ausgehend überschütteten
sie die Stadt mit ihrem Klang. Was hatte das Geläut zu bedeuten? War Papst Leo
XI. tot? Unmöglich – und doch meldeten die Glocken nichts anderes. Wie lange
war es her, dass ein neuer Papst gewählt worden war? Drei Wochen? Für einen
kurzen Moment sahen sich die beiden Frauen an, dann ging Cecilia in die Knie,
beugte das Haupt, bekreuzigte sich und begann, Gebete zu murmeln. Aus den
umliegenden Abteilen hörte Nerina ebenfalls Gemurmel. Es bestand kein Zweifel.
Nur ganze drei Wochen hatte die Amtsperiode des Medici gedauert.
18.
„Eure Heiligkeit!“
Mit einer ausladend demütigen Geste
schwenkte Scipione Borghese seinen Hut, ließ sich
Weitere Kostenlose Bücher