Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
spanischem Akzent deklamiert, der Sprache der heiligen Inquisition – als Mahnung und zur Erinnerung. Um zu signalisieren, dass er dasGespräch für beendet hielt, bot er dem Kardinal seinen Ring zum Kusse dar. Doch Giovanni drehte den Kopf weg, setzte sich vor den Papst und faltete seine Hände vor der Stirn, als würde er im Gebet versinken. Nachdem er sich geweigert hatte zu gehen, wusste er nur zu gut, dass das tödliche Duell zwischen dem Papst und ihm noch nicht ausgestanden war – die letzten Worte des Papstes klangen noch in seinen Ohren nach. Alexander hatte wie der Inquisitor Tomás de Torquemada selbst geklungen, dessen Name für Hass und Furcht stand.
Keine Armee der Welt wäre stark genug, um dem Papst die Stirn zu bieten, so viel war Giovanni klar. In Alexander hatte er einen Gegner, mit dem sich erst verhandeln ließ, wenn man ihm den giftigen Stachel gezogen hatte. Wie ein Skorpion würde der Heilige Vater auch zustechen, wenn man ihn in die Enge trieb. Um gegen diesen Feind zu bestehen, musste man umsichtig über den schmalen Grad zwischen Leben und Todesurteil balancieren und ihm immer wieder versichern, dass man ihn nicht angreifen, sondern – ganz im Gegenteil – schützen wolle. Man kreist nicht um einen Skorpion – man muss ihm in die Augen sehen. Nun lag es allein an ihm, die Bedingungen festzulegen und an sein Gegenüber zu appellieren. Seine nächsten Worte würden darüber entscheiden, ob der Papst der Allianz zustimmte oder ob er ihn bekämpfen wollte.
»Und nun möchte ich mich Euch – wie einem Beichtvater – anvertrauen«, setzte Giovanni vorsichtig an. »Allerdings bitte ich Eure Heiligkeit, das, was ich gleich sagen werde, den heiligen Sakramenten zu unterstellen und für Euch zu behalten. Ihr seid der klügste Kopf des heiligen Pluviales, und sich vor Euch zu verstellen wäre zwecklos. Außerdem bitte ich Eure Heiligkeit, mich weder als Einfaltspinsel noch als Giftbrocken oder als Opferlamm zu betrachten. Ihr lächelt, Eure Heiligkeit? Das erfreut mich, dann sind wir uns also einig. Und nun, bevor ich mit meiner Beichte beginne, segnet mich.«
Gedankenverloren erhob Alexander VI. seinen Arm, um den Segen zu erteilen, da lenkte ihn ein Geräusch ab: Der Wind hatte den Ast einer Platane abgerissen, der sich im Fallen in den Eisengittern des Fensters verfangen hatte. Das Blattwerk schlug mit Wucht gegen das wertvolle Fensterglas aus Chalzedon, doch das Bleigeflecht hielt stand. Plötzlich krachte jedoch ein ganz besonders dicker Zweig, von einer Windböe gepeitscht, so heftig gegen die Butzenscheiben, dass das Glas zerbrach. Kaum hatte er sein zerstörerisches Werk vollbracht, wehte der Zweig davon. Der Wind drängte ins Zimmer und wirbelte ein paar Pergamentblätter durcheinander, die auf dem Tisch lagen. Behände nahm Giovanni zwei Bernsteinbüsten, auf deren Rücken Porträts römischer Imperatoren abgebildet waren, und beschwerte damit die Papiere.
» Sic transeat gloria mundi. So wird der Ruhm der Welt vergehen«, bemerkte Giovanni. »Männer, die die Welt mit einem Fingerzeig erzittern ließen – werden zu Briefbeschwerern degradiert. Überaus wertvolle Briefbeschwerer zwar, aber eben Briefbeschwerer. Findet Ihr das nicht auch demütigend?«
»Ihr wart dabei zu beichten, Medici.«
»Ich beichte Gott dem Allmächtigen und Euch, Heiligster Vater.« Der Kardinal schlug sich ohne Bescheidenheit auf die Brust. »Ich beichte, dass meine Sünden mehr Gedanken als Taten sind und dass es zahllose sind, die ich bereuen muss. Ihr werdet über mich richten,Heiliger Vater, als Stellvertreter unseres Herrn, und ich begebe mich vertrauensvoll in Eure Obhut.«
Noch nie hatte sich Alexander VI. so nackt gefühlt, nicht einmal damals, als ihn sein Vorgänger ermahnt hatte, dass er seine Entscheidungen nicht von persönlichen Interessen lenken lassen dürfe. Was hatte er unter diesem Genueser gelitten, der sich trotz seines hohen Alters nicht entschließen wollte, endlich das Zeitliche zu segnen. Als ihre Allianz für die Nachfolge beendet war, ohne dass der Alte aus dem Leben geschieden wäre, hatte er sich gezwungen gesehen, ihn vor der Zeit zum Allmächtigen zu schicken – Arsen war immer ein ganz besonderes Werkzeug Gottes gewesen. Der Herr würde es ihm nachsehen – der Alte war schließlich nur ein Cibo gewesen, ein unbedeutendes kleines, ligurisches Licht unter den Adelsgeschlechtern. Dieser hier war ein Medici, und das war der gravierendste Unterschied. Ein alter Ziegenbock
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