Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
Lippen, drehte sich dann auf die linke Seite, so wie die Nonnen es Frauen rieten, die ein Kind erwarteten, und sank dann befriedigt in den Schlaf.
    Aus Stoffresten, die sie sich von Bruder Marcello erbettelt hatte, hatte Leonora sich ein Kissen genäht, das sie mit Hühnerdaunen und Stoffresten gefüllt hatte. Sie stopfte es sich in den Rücken, um die Schmerzen zu lindern, die ihr das Kind verursachte.
    Wo immer es ihm möglich war, versuchte Marcello, sie zufriedenzustellen, und glaubte bald, das launenhafteste aller Weiber neben sich zu haben. Nach ihren Spaziergängen mit dem Halsband zwang Leonora ihn oft, ihr sein Hemd oder die Kutte oder die Hosen zum Waschen auszuhändigen – denn sie zöge es vor, sagte sie, ihm wie eine Magd die Kleider zu waschen, als seinen Gestank zu ertragen. Brummend gehorchte er ihr dann und warf ihr unwirsch seine Sachen zu, die sie geschickt mit nur einer Hand auffing, da sie mit der anderen ihren schmerzenden Rücken stützte.
    Nachts jedoch, wenn alle Kerzen gelöscht waren, verfluchte Marcello seinen Respekt vor Frauen und seine Erziehung, die schwierigen Zeiten und die Mächtigen. Allerdings segnete er die Umstände, unter denen er diese Frau kennengelernt hatte. Wenn alles zu Ende gebracht war, würde er beim Kardinal eine Frau einfordern – eine Frau, wie viele Mönche und Eremiten sie von der Kirche zuerkannt bekamen: als Magd, als Konkubine und manchmal sogar als Eheweib. Er wollte aber nicht irgendeine: Er wollte sie .
    Leonora schreckte auf, als sie hörte, wie ihr Name herausgeschrien wurde. Als im nächsten Moment das Türschloss aufsprang, hielt sie sich instinktiv die Hände vor den Leib. Marcello kam auf sie zugestürzt, eine Decke in den Händen. Hastig schob er sie beiseite und sammelte ihre noch feuchten Lumpen auf. Sie zitterte vor Kälte und lehnte sich mit bebenden Lippen an die Wand.
    »Lauf weg!«, befahl er ihr. »Lauf weg, so schnell du kannst, und versteck dich im Wald. Aber nimm nicht den Weg!«
    Die heisere, atemlose Stimme des Mönchs machte ihr mehr Angst als seine Worte.
    »Du musst fort!«, wiederholte Marcello. »Sofort, jetzt! Drei Männer zu Pferd sind auf dem Weg zu uns – ich habe sie gesehen. Ob sie zu mir oder zu dir kommen, ist unwichtig.«
    Leonora machte keine Bewegung. Da packte sie der Mönch an den Schultern. Sein Atem roch nach Wein. Die Verzweiflung in seinen Augen schien ehrlich zu sein.
    »Verstehst du nicht?« Er schüttelte sie, und unwillkürlich schreckte Leonora vor ihm zurück. »Ich kenne sie nicht – und sie kommen direkt hierher! Du kannst nicht hierbleiben und warten, dass sie dir sagen, was sie wollen und wer sie schickt. Geh fort! Jetzt! Und sollten es Pilger sein, die Zuflucht suchen, komme ich und hole dich zurück. Um jeden Preis – und sollte ich dafür den leibhaftigen Satan anbeten müssen.«
    Die Tür stand weit offen, der Schlüssel steckte noch im Schloss, und er wies ihr mit ausgestrecktem Arm den Weg in die Freiheit.
    Leonora rannte an ihm vorbei. Als sie ins Freie trat, legte sie sich eine Decke um die Schultern, um sich vor dem strömenden Regen zu schützen. Hastig lief sie über den Hof und schlüpfte, ohne sich noch einmal umzusehen, in das Dickicht des Waldes. Ihre Pantoffeln waren sofort durchweicht, als sie über das nasse Blattwerk stolperte, und die Regentropfen vermischten sich mit ihren Tränen. Nach wenigen Schritten verfing sich die Decke in einem Ast, und Leonora musste anhalten, um sich zu befreien. Durch das Gebüsch konnte sie drei Reiter erkennen, die vor der Tür ihres Gefängnisses anhielten. Sie trugen Kapuzen und lange schwarze Umhänge. Sie sah auch Bruder Marcello, der vor die Tür getreten war. Er blieb vor ihnen stehen und hieß sie mit einer ausladenden Geste willkommen.
    Regungslos auf dem Boden kauernd verharrte sie auf den Knien und legte sich unbewusst die Hand aufs Herz, als wolle sie ihm befehlen, leiser zu schlagen. Der auf die Blätter prasselnde Regen war zu laut, als dass sie verstehen konnte, was die vier Männer sprachen, doch ihre Gesten waren mehr als eindeutig. Während die Reiter den Mönch mit ihren Pferden umzingelten und heftig mit ihm zu diskutieren begannen, warf Marcello immer wieder die Arme in die Luft, schüttelte den Kopf und warf sich schließlich vor ihnen auf die Knie. Leonora beobachtete, wie einer der Reiter sein Pferd hinter den Mönch lenkte und diesem etwas um den Hals warf – ein Seil oder eine Peitsche, vermutete Leonora. Daraufhin gab der

Weitere Kostenlose Bücher