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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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beunruhigend und ohne jedwede Qualität. Wie er sich nun so im Spiegel sah, kamen ihm wieder diese lächerlichen Porträts aus dem Narrenschiff in den Sinn. Das, was er da aber verzerrt in dem seltsamen Spiegel sah, würde er sich merken und dann mit Sicherheit besser zeichnen als dieser Dürer. Wenn er dem Grundmuster der Deformation folgte, könnte er noch so manche Karikatur fertigen. Sforza mit seiner Hakennase, dem hervorstehenden Kinn und dem angedeuteten Buckel wäre zum Beispiel ein wunderbares Modell. Geräuschlos und fast wie von selbst wurde die Tür geöffnet. Die schmächtige Figur des Kardinals tauchte auf und bot ihm seine behandschuhte Hand mit dem Ring zum Kuss dar.
    »Habe ich Euch warten lassen?«
    »Nein, Monsignore.« Leonardo verbeugte sich.
    »Ich habe eben erst die Morgenmette beendet. Betet Ihr eigentlich, Leonardo?«
    »Immerdar und mit viel Hingabe.«
    »Damit rettet Ihr Eure Seele. Und nicht nur sie, wenn Ihr das Gebet mit der Tugend des Gehorsams vereint. Wollt Ihr beichten?«
    Der Florentiner kniete nieder und beugte sein Haupt. Sforza vermied es, dass die verfilzte Haarmasse sein Purpurgewand berührte.
    »Seit wann besucht Ihr keinen Barbier mehr?«
    »Monsignore?«
    Leonardo riss voller Erstaunen die Augen auf und schaute den Kardinal fragend an. Er hatte erwartet, über seine Sünden befragt zu werden und nicht über seine Haartracht. Als er mit der Linken an sein Haupt fasste, stellte er fest, dass die Haare seit seinem letzten Baderbesuch und trotz stolzer zehn Denar für den Haarschnitt überaus störrisch und schütterer als sonst nachgewachsen waren. Vielleicht wäre es besser und mit Sicherheit günstiger, sich in Zukunft den Schädel selbst zu rasieren und ihn dann mit einem Barett zu bedecken. In diesem Moment erschien ihm daher keine Antwort die beste Antwort zu sein.
    »Setzt Euch nun, denn ich habe nicht viel Zeit, und erzählt mir, was ihr wisst – und geizt nicht mit Einzelheiten.«
    Als er, mit vielen Details gespickt, jedes Wort berichtet hatte, rieb sich Kardinal Ascanio Sforza die Hände. Mit dem Zeigefinger strich er sich über sein Kinn und legte ihn dann auf Leonardos Lippen.
    »Ihr seid nie hier gewesen. Ihr wartet die dritte Stunde ab, bis Ihr Euch den Euren wieder zeigt. Und dann erzählt, Ihr wärt auf der Piazza Navona auf dem Markt gewesen, um den Hundekampf zu sehen. Ihr zeigt Euch glücklich, denn Ihr habt auf den Mastiff Castrato gesetzt und zwanzig Denar gewonnen. Hier, das Geld – und sorgt Euch nicht, Castrato wird immer gewinnen. Was ist, Leonardo? Wollt Ihr noch mehr?«
    »Nein, Monsignore.« Leonardo nahm den Geldbeutel voller Münzen entgegen, »aber Ihr demütigt mich. Ich fühle mich wie ein Judas.«
    »Wenn Judas anstelle der 30 Denar 300 erhalten hätte, hätte er sich nicht erhängt. Und zwischen einem Trinkgelage und einem Fest hätte er auch unseren lieben Gott vergessen – und erst recht dessen Sohn. Dieses Geld werdet Ihr brauchen, um von hier bis nach Mailand zu reisen. Dort wird mein Bruder Ludovico Euch wie versprochen erwarten und zu allen Annehmlichkeiten führen, die Euch zugesagt sind: ein stolzes Anwesen, ein Weinberg und im Schloss ein Studierzimmer ganz für Euch allein sowie Diener und Dienerinnen zu Eurer Verfügung. Und wenn Ihr Eure Fertigkeiten in seinen Dienst zu stellen wisst – wenn Ihr also uneinnehmbare Brücken, mächtige Waffen und sonstige Teufeleien erfindet –, werden Euch die Sforza die Zuneigung entgegenbringen, die Ihr verdient. Ja, Ihr werdet gar Vorteile daraus ziehen, von denen der Bastard einer arabischen Magd nie in seinem Leben zu träumen gewagt hätte.«
    »Ich habe just ein Kriegsschiff erdacht, das mit einem Bombardenrad ausgestattet ist. Allerdings bräuchte man eine gerade Anzahl Bombarden – dann könnte man in jede Richtung schießen.« Leonardo lächelte. »Und so ganz allein eine ganze Flotte angreifen. Außerdem ersann ich eine Kugel, die in ihrem Innern ein so mächtiges Pulver trägt, dass Mauern zerbersten und Dächer abheben, wenn sie in einem Hof explodiert. Die Erde wird erbeben mit meiner Erfindung und die Netze der Spinnen zu Boden fallen. Durch den Donner werden die schwangeren Frauen und tragenden Tiere ihre Nachkommen verlieren und sogar die Küken in den Eiern sterben.«
    »Bravo, Leonardo, so gefallt Ihr mir. Und so werdet Ihr auch die Gunst meines Bruders, des Herzogs, genießen. Nun geht und tut, wie Euch geheißen. Morgen werdet Ihr nach Mailand abreisen.«
    Die Beleidigung

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