Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
unangenehmes Übel zwingt mich, das Bett zu hüten. Ich werde nicht säumen, Euch Neuigkeiten zu referieren, sobald unser lieber Gott mir die Genesung gewähren wird. Ich erbitte Euren Segen und werde auf immer Euer untertänigster Diener sein.
Joannes cardinalis.
Er gab Silvio das Schreiben und befahl ihm, es Burcardo auszuhändigen und die Antwort abzuwarten.
Noch am selben Abend kehrte Silvio mit der Antwort zurück.
»Sind sie dir gefolgt?«
»Niemandem würde dies gelingen, wenn ich es nicht will.«
Lieber Sohn,
Wir kennen bereits den fruchtlosen Ausgang des Unterfangens und beten für Eure baldige Genesung. Erinnert Euch, dass unser Medicus erfreut wäre, Euch Erleichterung zu verschaffen.
Ich kann mir auch ganz genau vorstellen, mit welchen Eisen, dachte Giovanni bei sich. Und las weiter.
Wir wünschen Uns, dass Ihr nicht nur Eure Gesundheit mit Sorgfalt behandelt, sondern auch Unser kleines Schätzelein. Wenn Ihr Euch dem guten Gott nahefühlt, so bezweifle ich nicht, dass Euch Eure edle Herkunft zu dem Verborgenen führen wird.
Alexander, pp VI.
Um die Bedeutung der Antwort zu verstehen, musste Giovanni fast einen ganzen Krug roten Gaglioppo-Wein leeren. Er hatte ihn von einem lächelnden Zellennachbarn erhalten, der ihm mit Gesten zu verstehen gegeben hatte, dass das Getränk Körper und Geist erwärme und nicht weniger als ein Geschenk Gottes sei. Ja, das war es in der Tat. Und nichts war verloren, im Gegenteil. Am nächsten Morgen überbrachte Silvio dem Zeremonienmeister einen weiteren Brief. Dieser war in einem ganz anderen Ton verfasst.
Lieber Vater,
dank Eurer Gebete hat der Heilige Geist den Körper geheilt. Ich teile Euren Gram ob der Flucht der Tauben und möchte unter Eurem wohlgesonnenen Schutz die Modi festlegen, um sie schnellstmöglich in den Taubenschlag zurückzuführen.
Johannes.
Die Antwort des Papstes ließ nicht lange auf sich warten.
Wir haben just die Falkner informiert, auf dass sie ihre Netze auswerfen. Wir erwarten Euch alsbald,
mein lieber Sohn.
Alexander, pp VI.
Rom, Porta Portese
Das langsame Schaukeln auf dem Pferderücken verleitete Gua Li zum Meditieren. Der Gehorsam, zu dem sie sich Ada Ta gegenüber verpflichtet fühlte, war stärker gewesen als der Wunsch, in seiner Nähe zu bleiben. Wie leicht es ihr gefallen war aufzubrechen. Es hatte sich richtig angefühlt. Sie hatte auch nicht das Gefühl, Ada Ta verloren zu haben. Es war, als wäre er nach wie vor an ihrer Seite oder höchstens ein paar Schritte voraus. Vielleicht rührte ihr innerer Friede auch daher, dass Ferruccio für sie da war und sie beschützte – obwohl sich die Suche nach Leonora dadurch verzögerte. Oder weil sie die elterliche Fürsorge nicht missen musste – Ada Tas väterliche Liebe war durch die mütterliche Zärtlichkeit Osmans ersetzt worden. Die kleinen Aufmerksamkeiten und seine Hingabe waren in diesem Moment genau das, was sie am meisten brauchte – ein Bedürfnis, das einer Veränderung in ihr selbst entsprang. Sie war kein Mädchen mehr, sondern zur Frau geworden. Konnten diese neuen Gefühle nur aus ihrer Vereinigung mit Ferruccio entspringen? Die leichten, unkontrollierten Zuckungen, die ihren Schoß bei diesem Gedanken unkontrolliert durchströmten, und die plötzlichen Hitzewallungen erinnerten sie an die erotischen Freuden und erneuerten die Lust. Sie errötete.
Ferruccio hob den Arm und verlangsamte den Schritt: Um die Porta Portese ungehindert passieren zu können, reichten ein paar Münzen pro Kopf, aber ein ganzer Denar würde unangenehme Fragen vermeiden. Trotzdem würde es nicht ungefährlich sein, wenn sie erst einmal die Aurelianischen Mauern hinter sich gelassen hatten. Der Weg nach Florenz war weit, und die Vorstellung, dass Gua Li und Osman alleine nach Venedig weiterreisen würden, steckte wie eine Pfeilspitze in seiner Seite. Sie würden aber durchkommen, dessen war Ferruccio sich sicher. Die Kontakte zu den Piraten seines Landes würden dem Türken die Flucht nach Asien ermöglichen, und er würde die junge Frau heil in ihre Heimat zurückbringen. Er würde Gua Li nie wiedersehen, und das war gut so. Sie war in seinem Leben aufgetaucht wie der Komet, der ihm und seinem Großvater einmal auf den Hügeln von Bibbona erschienen war. Als er ihn damals sah, hatte er Angst bekommen – denn Kometen bringen Unglück, das wusste jeder. Sein Großvater hatte ihn getadelt und erklärt, dass Kometen ein Zeichen großer Veränderungen seien und daher Aufmerksamkeit
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