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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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als unser Ritt – es war todlangweilig.«
    »Er ist alt, und mittlerweile hört er nur noch sich selbst zu.«
    »Außerdem habe ich kein Wort von den Diskursen über die rationale Seele verstanden … ich glaube, er nannte sie copula mundi .«
    »Diese Treffen in der Neoplatonischen Akademie haben ohne den Grafen Mirandola, Poliziano oder die anderen keinen Sinn mehr.«
    »Savonarola wird sie bald schließen«, unterbrach sie Ferruccio. »Jetzt, da er bereits die materiellen Reichtümer der Florentiner dem Feuer übergeben hat, werden wir nicht mehr lange warten müssen, bis er auch noch die spirituellen verbrennen wird.«
    Ferruccio gab seinem Schecken die Sporen; der reagierte unverzüglich. Leonora fühlte sich ihm nah, aber in diesem Moment trotzdem nicht nah genug. Innerhalb weniger Jahre waren ihm nicht nur seine besten Freunde genommen worden, sondern auch die Hoffnung auf ein besseres Leben und eine Existenz in Freiheit, ohne Angst. Girolamo Savonarola hatte Florenz zur Republik von Jesus Christus erklärt, und seine Anhänger zogen von Haus zu Haus, um Gaben für d ie Scheiterhaufen aufzutun, und spionierten in den Gasthäusern, um jede kritische Bemerkung über die Lehre ihres Meisters mit Peitschenhieben und Ketten zu bestrafen. Mit Knüppeln, Schwertern und Dolchen bewaffnet, streiften die Piagnoni zusammengerottet wie Wolfsrudel zu fünft oder sechst umher.
    Leonora ließ ihn mit seinen Gedanken alleine.
    Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen; von den nahen Weiden kamen das Blöken und Muhen der Tiere, und im Hintergrund vernahm man das Stimmengewirr der Schäfer. Eingehüllt in ihre groben Wolltapperts, riefen sie ihren Hunden die letzten Befehle des Tages zu. In früherer Zeit waren in den fruchtbaren Niederungen Weizen und Gerste angebaut worden, und an den Hängen wuchsen die besten und widerstandsfähigsten Rebstöcke der gesamten Toskana. Seit einiger Zeit hatten die Pächter und Bauern die fruchtbare, aber anspruchsvolle Erde verlassen und ihr Glück in den Städten versucht, wo sie jedoch allzu oft nur Not und Erniedrigung erfahren hatten. Nun stritten sich Wölfe, Füchse und Bären um die verlassenen Häuser, die ohne schützende Zäune an den brachliegenden Feldern lagen und von ihren Besitzern der Gnade Gottes überlassen worden waren.
    Von Weitem konnten die beiden Reisenden ein schwaches Leuchten erkennen: Zebeide, die Magd, hatte die Fackeln auf der Balustrade bereits entzündet. Als sie endlich ankamen, ging Leonora sofort ins Haus und überließ es Ferruccio, die Pferde in den Stall zu bringen. Sie hatten das Gehöft ganz bewusst ausgesucht, weil seine dicken Steinmauern so abweisend wirkten, dass es keine Reisenden anlockte. Dank des Erbes aus dem Nachlass des Freundes Giovanni Pico Graf von Mirandola hatten sie es kaufen und nach ihren Wünschen ausstatten können. Im Erdgeschoss kam man in eine große Küche mit einem Tisch aus Eichenholz, an dem 20 Personen Platz hatten. Ihr Reich lag im oberen Geschoss: Über eine Steintreppe gelangte man zu drei nebeneinanderliegenden Räumen; der mittlere war das gemeinsame Schlafgemach. An einer Wand hatte Leonora einen kleinen, mit einem Fensterchen versehenen Erker anbauen lassen, der gerade groß genug für einen Toilettensitz war, dessen Öffnung über einer eigens dafür ausgehobenen Kloakegrube lag. Dieser Luxus hatte sie mehr als 300 Florinen gekostet, und fast ein Drittel war in die Taschen des Architekten gewandert, der die Pläne für den Abwasserkanal gemacht hatte, ohne das Fundament zu gefährden. Ferruccio wusste, wie wichtig Sauberkeit für Leonora war – manchmal kam es ihm vor, als fühle sie sich noch immer beschmutzt von den Erinnerungen an ihre Zeit im Kloster und daran, wie die Nonnen sie damals davongejagt hatten. Deshalb war er sofort einverstanden gewesen, als sie ihn um den Anbau gebeten hatte.
    Der große Raum links des Schlafgemaches diente Ferruccio als Studierzimmer. Dort bewahrte er Landkarten und ein paar Bücher auf, und neben dem Waffenschrank und einer lebensgroßen Gliederpuppe aus Leder und Holz, an der er täglich die Kunst des Schwertkampfes übte, befand sich noch ein bequemer Sessel im Raum. Rechts des Schlafzimmers befand sich Leonoras Reich. In einem abschließbaren Schrank lagerte sie wohl geordnet und vor Staub, Unwissenheit und Holzwürmern sicher beschützt ihre Bücher. Viele stammten aus Mirandolas Nachlass: seltene Ausgaben der Klassiker und philosophische Abhandlungen, einige so wertvoll

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