Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
wie Juwelen. Andere – bescheidenere – Folianten waren Geschenke ihres Ehegatten.
Leonora war nicht so wie andere Frauen. Obwohl sie es konnte, nähte sie nicht, noch stickte oder stopfte sie. Außerdem kochte sie nur, wenn es ihr genehm war. Sie verbrachte ihre Zeit lieber mit Lesen oder Töpfern. Sie saß meist mit geschlossenen Augen oder, besser noch, in der Dunkelheit an ihrer Töpferscheibe – so war es, als würde sie träumen, sagte sie. Und Ferruccio saß bei ihr und schaute ihren Händen zu, wie sie zart den Ton streichelten und ihm weiche Formen gaben, sie zu Vasen, Krügen, Tellern oder Schüsseln machten. Häufig half er ihr, ihre Arbeiten unten in der Küche zum Brennen in den Ofen zu stellen oder das Schlicker auszugießen, das dem Ton seine glasige Oberfläche verlieh. Leonora tadelte ihn oft für seine Ungeschicklichkeit, weil er immer Fingerabdrücke auf dem Ton hinterließ, die nach dem Brennen wie Schmutzflecke aussahen. Nur wenn sie ihre Arbeiten mit Blumenmalereien, Blättermotiven, mit Häuschen und Feldern verzierte, schickte Leonora ihn aus dem Raum, denn sie wollte ihn erst die Ergebnisse bewundern lassen, wenn sie fertig waren.
Ferruccio tätschelte die Pferde und bereitete ihnen ein weiches Lager aus Heu und Holzspänen. In den Trog füllte er Hafer, Gerste und Ackerbohnen und stellte ein paar Eimer Wasser auf. Aus der Küche drang die schrille Stimme Zebeides, und er blieb stehen, um ihr zuzuhören, während drinnen die Magd wiederholte, dass das Brot salzlos gebacken werden müsse – und nicht mit Salz, wie die Herrin wünschte. Die Herrin – eine Anrede, die Leonora überhaupt nicht gefiel – läge nämlich falsch! Ferruccio hatte die beiden oft miteinander lachen oder zanken gehört, aber an diesem Abend lag etwas Eigenartiges in der Luft: Ihre Stimmen klangen nicht gerade fröhlich. Sie wurden immer leiser, und plötzlich vermeinte er, ein Schluchzen zu hören.
Ferruccio trat genau in dem Moment in die Küche, als Zebeides Ausbruch am heftigsten war – ihre Worte waren laut und heftig, und sie wischte sich mit der Schürze über die Augen.
Ihre Base, die in Figline, im Haus der edlen Serristori, diente, war erkrankt und aus diesem Grund sofort und unwiderruflich davongejagt worden.
»Es stimmt ja, sie hat ausgerechnet in der Küche angefangen zu husten und musste sich übergeben, bevor sie auf den Hof laufen konnte. Ein Knecht begleitete sie nach Hause, und da bemerkte sie – verzeiht meine Worte, Herrin –, dass ihr das Blut aus dem Anus lief. Aber, mein Herr, sie gleich zu entlassen – erscheint Euch das nicht ungerecht?«
»Morgen werde ich zu den Serristori reiten«, versuchte Ferruccio sie zu trösten. »Vor Jahren habe ich zu Gunsten des alten Averardo Zeugnis abgelegt, und er schuldet mir noch einen Gefallen. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Sollte ich jedoch nichts erreichen, dann verspreche ich dir, dass wir deiner Base einen neuen Dienstherrn suchen, sobald sie wieder genesen ist. Wenn sie eine so gute Köchin ist wie du, wird sie keine Schwierigkeiten haben, eine Familie zu finden, die sie aufnimmt.«
Zebeide wollte ihm die Hände küssen, aber Ferruccio zog sie mit einem entschuldigenden Lächeln zurück. Diese Gesten der Unterwürfigkeit waren ihm unangenehm und gefielen ihm nicht, aber noch weniger gefiel ihm, was Zebeide berichtet hatte.
6
Auf dem Landgut von Figline, 10 Tage zuvor
Sie war zusammen mit den wertvollen Teppichen angekommen und hatte sofort Unterkunft in den Kellern von Villa Serristori gefunden: eine ganze Rattenfamilie.
Als die scheinbar akkurat versiegelten Transportkisten geöffnet wurden, waren ein paar von ihnen, die die weite Reise aus dem Orient überlebt hatten, entwischt, und sowohl die Dienerschaft als auch die schreiende Kinderschar und die Töchter des Hauses hatten vergeblich versucht, sie wieder einzufangen. Die Nagespuren auf den kostbaren, weichen Teppichen ließen darauf schließen, dass sie sich an der weichen Teppichwolle gütlich getan hatten. Andere hatten weniger Glück gehabt: Sie waren schwächer gewesen und ihren kräftigeren Artgenossen zum Opfer gefallen. Nun lagen sie tot und angefressen zwischen der Ware, und die Säure ihrer Exkremente hatte das zu Ende gebracht, was sie mit ihrem enormen Appetit begonnen hatten: Das feine Gewebe war zerfallen und die azurblauen Arabesken und gelbgrünen Blumenmuster unwiederbringlich zerstört.
Averardo Serristori war sehr erzürnt gewesen und hatte einen
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