Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
den diejenigen haben, die mit der Macht geboren sind und diesen Willen mit einer Selbstverständlichkeit ausüben, die dem Wahnsinn bisweilen sehr nahe kommt. Und obwohl Giovanni vielen als Hasenfuß galt, weil er das vergoldete Exil an den europäischen Höfen dem Kampf gegen seine Feinde vorzog, verfügte auch er über diesen eisernen Willen. Nicht zuletzt deshalb, weil er ein Medici war und weil er wusste, dass die Kunst des Politikmachens dem Schwert überlegen war.
»Ich stehe seit einiger Zeit mit dem Türken in Kontakt.«
»Ihr meint den Sultan von Konstantinopel?«
Giovanni nickte. Carnesecchi holte tief Luft und faltete die Hände.
»Ich glaubte, er sei Euer Feind.«
»Ein Feind ist derjenige, der uns beraubt, der uns die Freiheit nimmt, der versucht, uns zu ermorden. Ich sehe zahlreiche Feinde um uns herum, aber keinen mit einem langen Bart und einem weißen Turban auf dem Kopf.«
»Haltet ein, Monsignore, im Moment wäre ich nicht fähig, mehr zu verstehen. Aber zweifelt niemals an meiner Treue.«
Carnesecchi kniete vor ihm nieder und bat Giovanni de’ Medici, seinen Kopf zu berühren. Der Kardinal lächelte über diese Bitte und Carnesecchis Akt der Unterwerfung.
»Dessen bin ich mir sicher, genauso wie ich mir sicher bin, dass du dir über meine Gesundheit Sorgen machst. Apropos, hab keine Angst, dass du dich anstecken könntest. Es sind weder die Ausdünstungen der Erde noch die Hand Gottes, die die Krankheit verbreiten, sondern die Hand der Menschen, und daher ist sie nicht so bedrohlich. Die Pestilenz sollte aber trotzdem nicht unterschätzt werden. Alles ist Teil eines großen Ganzen. Ich werde dich brauchen – dich und einen weiteren Mann, dessen Name mir genannt worden ist. Ich kenne seine Kraft, seine Ehrwürdigkeit und das Versprechen, das er jenem Grafen Mirandola gegeben hat und das er unbedingt einhalten wird. Gift kann zwar ein Leben auslöschen, Carnesecchi, aber nicht die Ideen.«
11
Ende April 1497, zwischen Careggi und Florenz
Nach den ersten Anzeichen von Schönwetter, dem reichlich Regen und kalter Wind gefolgt waren, schien der Frühling doch nicht kommen zu wollen. Auf den Hügeln von Careggi holten sich die Kinder die unreifen Mandeln mit ihren grünen und bitteren Schalen von den Bäumen und verzehrten ihre Beute fröhlich im Schutz einer Hecke oder eines Grabens. Zuweilen rissen sie auch ganze Äste ab und erzürnten so die Pächter, die schon genug Schäden in dieser Jahreszeit erlitten hatten. Eine schlechte Ernte bedeutete Hunger.
Über die Pestilenz wurde nicht geredet. Seit zwei Wochen waren Wachtrupps der Republik Florenz unterwegs, die gegen einen kleinen Obolus jeden nach Careggi durchließen, wo die Plage zuerst aufgetreten war. Regelmäßig wurde Donato Albizi, dem Ersten Offizier des Gesundheitsrates, Bericht von seinen Hauptmännern erstattet, die ihm garantierten, dass um ganz Careggi herum ein enger Sicherheitskordon gezogen worden sei, der weder Einlass noch Ausgang gewährte. Die Arkebusenschützen vertrieben sich die Zeit, indem sie auf Fasanen oder Hasen schossen, die ihren Urinstinkten folgten und sich in dieser Jahreszeit der Fortpflanzung widmeten. Wenn sie ein Huhn mit ihren Kugeln durchsiebten, musste der Hauptmann die Bauern aus eigener Tasche entschädigen, um einen Aufstand zu verhindern, und nach und nach wurde ein Schütze nach dem anderen aus der Truppe zurück in die Hauptstadt beordert. Und von seiner Kanzel in San Marco tönte Savonarola, dass die Gebete der Florentiner Gott erweicht hätten und die Pest sich durch seine Gnade ergeben habe. Aber, fügte er hinzu – das sei kein Grund, sich bereits in Sicherheit zu wiegen: Sobald die Summe der Sünden den Zorn Gottes erneut entfachen sollte, könnte die Pest jederzeit wieder ausbrechen.
Ferruccio de Mola hingegen hatte Gott, an den er nicht mehr glaubte, mehrmals gedankt. Leonora ging es gut und Zebeide, die ihre Base nicht mehr besucht hatte, ebenfalls. Um für Ruhe zu sorgen, hatte er seine Pächter von der Feldarbeit befreit, damit sie ihre eigenen Saatbeete und den noch harten, kalten Boden in Ruhe für die Aussaat vorbereiten konnten, um ihre Gemüsegärten umzugraben und die Bienenstöcke zu kontrollieren.
Einmal hatte er sich bis zum Besitz der Serristori vorgewagt und den Schaden in Augenschein genommen. Das Feuer hatte das Anwesen an mehreren Stellen beschädigt und Plünderer ganze Arbeit geleistet: Nur noch die nackten Steinmauern ragten gen Himmel. Es sah aus, als wäre
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