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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Bestreicht eure Häuser mit dem Blut der Lämmer, damit der Todesengel, der kommen wird, nicht eure Erstgeborenen ermordet . Das hat Gott zu Moses gesagt! Und ich sage euch, dass das Blut eure Sünden nicht ungeschehen macht! Ihr seid verdammt – genau wie die Söhne Ägyptens!«
    »Das ist nicht Girolamo«, flüsterte Ferruccio. »Das ist nicht seine Stimme. Und schau dir seine Arme an: Diese sind muskulös, die von Girolamo sind nur Haut und Knochen. Das verstehe ich nicht, und was ich da sehe, gefällt mir ganz und gar nicht. Folge mir. Wenn es jemand bemerkt und anfängt zu schreien, wird die Masse wie ein wildes Tier im Käfig toben.«
    Ohne ein Wort zu verlieren, folgte Leonora ihrem Mann: Aufmerksam und entschieden bahnte sich Ferruccio den Weg durch das Gedränge. In jenem Moment erfasste er die Situation und ging in die richtige Richtung, denn nie hatte er den Instinkt des Kriegers verloren. Nach wie vor war er der schweigende, zuverlässige Mann des Schwertes. Aus den Augenwinkeln bemerkte Leonora einen Schatten hinter ihnen.
    »Jemand folgt uns. Er sieht wie ein Mönch aus; vielleicht ist es aber auch der Kardinal.«
    Mit zwei geschickten Bewegungen überholte sie eine aschgraue Kutte, die Ferruccios Militärwams streifte.
    »Mein Sohn, wann habt Ihr das letzte Mal gebeichtet?«
    »Monsignore?«
    »Das ist nicht wichtig.«
    Ferruccio sah, wie sich die Lippen unter der Kapuze bewegten. Der Mann fuhr fort: »Ich denke, dass Ihr in der Tat beichten müsst.«
    Nein, er war es nicht – zu groß und stämmig. Er hatte Giovanni de’ Medici als einen blassen und trägen Jüngling in Erinnerung, dicklich und mit fleischigem Gesicht, ganz wie seine Mutter.
    »Ich habe just vor drei Tagen Beichte abgelegt«, log Ferruccio, »und soweit ich mich erinnern kann, hatte ich seither keine Gelegenheit, eine Sünde zu begehen.«
    »Und diese schöne Dame neben Euch?«
    »Das ist mein Weib, Bruder«, flüsterte er. »Unsere Verbindung ist von Gott geweiht.«
    »Die Ehe schützt vor Sünden nicht, im Gegenteil, mitunter fördert sie die Fleischeslust umso mehr. Ich glaube daher, dass Ihr gut daran tätet, auch die Sünden zu beichten, die Ihr noch gar nicht begangen habt, denn das Fleisch kann nun einmal nicht von seinem Tun befreit werden. Im Kreuzgang des Klosters wartet ein besserer Pater als meine Wenigkeit auf Euch. Geht nur, ich biete mich als Euer Stellvertreter an, diese sanfte Madonna an Eurer Seite zu beschützen.«
    An einem anderen Ort hätte Ferruccio schon längst sein Bohrschwert gezückt oder wenigstens diesen widerwärtigen Mönch den Staub küssen lassen.
    »Geh nur, Ferruccio. Geh beichten«, sagte Leonora leise und drückte seinen Arm.
    »Das ist ein sehr guter Rat, Ferruccio«, wiederholte der Unbekannte. »Aber nur im Kreuzgang werdet Ihr Erlösung finden.«
    Ferruccio gab sich einen Ruck und holte tief Luft. Die Anspielung des Mönchs auf Leonora als Madonna hatte ihn kurz aus der Fassung gebracht, und er fühlte sich plötzlich wie ein Dummkopf. Mit abfälligem Lächeln begab er sich zum Kirchenausgang.
    Als Ferruccio sich entfernt hatte, neigte der Mann Gottes seinen Kopf und zog sich die Kapuze herunter, unter der sein dichtes schwarzes Haar – ohne die übliche Tonsur, wie Leonora bemerkte – zum Vorschein kam. Ein schwarzer Bart umrahmte sein Gesicht. Er sah eher wie ein Mann des Schwertes als ein Diener der Kirche aus.
    »Ich weiß, dass Ihr eine ehrliche und intelligente Frau seid«, flüsterte er, »und Eure Schönheit spricht für sich selbst.«
    »Wirklich? Wer seid Ihr? Gewiss ein echter Mönch«, höhnte Leonora, »da Ihr es wagt, an diesem heiligen Ort solche Wertschätzungen zu äußern.«
    Leonora bekreuzigte sich und starrte auf die Kanzel, von der aus die Predigt des falschen Girolamo immer apokalyptischere Töne annahm.
    »Ach, da es nicht aufgrund meiner Kleider war, unter denen sich in der Tat ein jeder verstecken könnte, glaube ich, dass es – mehr als meine Worte – meine Stimme und meine Haltung waren, die Euch Glauben machten, ich sei ein Mönch, was im Übrigen der Wahrheit entspricht. Das beweist meine fehlende Vertrautheit mit den Menschen und dem Weibe, das – obwohl so kostbar vor den Augen Gottes – kein leichtes Los für den Mann ist.«
    »Und vielleicht seid Ihr sogar ein Prediger.«
    Der Mönch drehte sich zu Leonora um.
    »Erneut habt Ihr ins Schwarze getroffen. Vielleicht werdet Ihr mir sogar meinen Namen nennen.«
    Leonora drehte sich weg und gab ihm keine

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