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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Lippen zu saugen. Der gleiche Mann machte die Tür auf, und dabei fiel – unter einem Chor von Schmähungen – für einen Augenblick ein Lichtstrahl in den Saal. Sofort schloss er die Tür hinter sich. Unverzüglich stellte sich ihm Giovanni Burcardo in den Weg.
    »Warum habt Ihr den Saal verlassen? Alle haben es bemerkt und werden sich fragen, wer Ihr seid!«
    »Sagt ihnen, dass mich ein Bischof in seinem Alkoven erwartet.«
    »Fluchet nicht! Wenn sie mich über Euch befragten, wüsste ich nicht, was ich antworten soll.«
    »Ihr habt mich als Günstling von Paolo Fregoso eingetragen und mir den Namen Ferruccio de’ Fieschi gegeben. Das habt Ihr auf fünf Dukaten geschworen, und selbst wenn Ihr das Gold vergesst, so wird sich das Schwert an Euch erinnern.«
    »Aus welchem Grund seid Ihr also nicht geblieben?«, flüsterte Burcardo. »Es war eine einmalige Gelegenheit, das Vertrauen des Papstes zu gewinnen.«
    »Ich habe einmal einen Eid abgelegt, bei Gott! Und ich habe vor, ihn nicht zu brechen, koste es auch mein Leben! Es wird schon eine weitere Gelegenheit geben, um mit ihm zu konferieren. Ihr werdet eine andere Lösung für mich finden, bei dem, was ich Euch gab. Ihr habt mich mehr gekostet als ein vollständiger Ablass für meine Sünden – die vergangenen und die kommenden! Und solltet Ihr mir nicht helfen, so hätte ich noch eine Sünde in petto!«
    Die Tonsur des Zeremonienmeisters war mit Schweißperlen bedeckt, die im Kerzenlicht glänzten. Seine Augen eilten zwischen dem Ritter und der geschlossenen Tür des Speisesaals hin und her, in dem bald das Lieblingsspiel seiner Heiligkeit beginnen würde – Descubre y toma : In vollkommener Dunkelheit mussten die Spieler einander nur durch Berührungen und Abtasten erkennen – ein aphrodisierender, die Sinne berauschender Spaß. Damit die Belustigung jedoch kein allzu vorschnelles Ende hatte, durften die Frauen die Gesichter der Männer nicht berühren. So dehnte sich der Spaß bis in die Morgenstunden aus, und viele Damen gaben sich nicht nur mit einem Ratepartner zufrieden und stellten mit ihrer Leidenschaft sogar die Kurtisanen in den Schatten.
    Burcardo löschte die Lichter und komplimentierte den Ritter hinaus.
    »Ihr sagtet, Ihr brächtet Kunde von Kardinal de’ Medici? Das wird Seine Heiligkeit gewiss interessieren. Ich richte es ihm aus, und der Rest geht mich nichts an. Weg, nun geht, oder es wird für keinen von uns ein Morgen geben.«

18
    15. Juni 1497, Serailpalast, Istanbul
    Es gab keinen Tag, an dem Bayezid II. nicht Gua Lis Erzählungen über das Leben Īsās lauschte. Nach dem Al-Maghrib , dem Gebet bei Sonnenuntergang, waren ihre Besuche in den Privatgemächern des Sultans zu einer festen Gewohnheit geworden. Gua Li machte es sich auf einem mit Silberfäden durchwobenen Seidenkissen bequem, das groß genug für ihren Lotussitz war. Unverzüglich servierte ihr eine verschleierte Dienerin auf einem Messingtablett eine Karaffe mit Orangensaft und ein Glas, um sich dann stillschweigend zu entfernen. Obwohl Ada Ta die Erlaubnis hatte, den Treffen beizuwohnen, zog er es vor, von einem Eunuchen begleitet frei und wissbegierig durch die Palastgärten zu streifen.
    Staunend beobachtete der Eunuch, wie Ada Ta mit einem melodischen Pfeifen Schmetterlinge verzauberte und so lange mit ihnen sprach, bis sie sich auf seinen Fingerspitzen niederließen. Er lernte von Ada Ta Eidechsen zu fangen und sie in die Hand zu nehmen. Ada Ta ließ die Eidechsen mit ihren Zünglein seine Hände erkundschaften, bis sie sich entspannten und ihren Herzschlag so weit verlangsamten, dass Ada Ta sie sich auf seinen glänzenden Schädel setzen konnte und seinen Spaß daran hatte, wenn sie darauf herumkrochen. Der Eunuch konnte nicht verstehen, wie Ada Ta es fertigbrachte, in der Position einer Vogelscheuche Meisen, Finken, Mönchsgrasmücken und Kanarienvögel anzulocken, die sich – ohne zu streiten – auf seinen Armen niederließen. Nur der Stieglitz kam erst, wenn alle anderen bereits wieder weggeflogen waren. Er setzte sich dann auf die Schultern des Mönchs und trällerte ihm etwas ins Ohr, als wolle er Ada Ta unter vier Augen seine Geheimnisse verraten.
    Der einzige Bereich im Sultanspalast, den Ada Ta nicht betreten durfte, waren die Privatgemächer der zahlreichen Konkubinen, von denen der Eunuch behauptete, es seien mehr als vierhundert.
    Alles in allem ließ Ada Ta Gua Li und den Sultan nie länger als eine Stunde allein; das war genug Zeit, damit Gua Li in Ruhe

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