Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
Stunde.«
»Und woher wusstest du, dass der Körper genau dort zu finden war?«
»Ich wusste es nur von dem Mann, der beobachtet hatte, wie ein edler Herr in das Wasser geworfen wurde, Hauptmann. Und nachdem ich den Aufruf gehört hatte, zählte ich eins und eins zusammen und …«
»Schluss jetzt. Dann bist du also des Zählens mächtig, Battistino di Taglia.«
»Ja, mein Herr, und ich kann auch meinen Namen schreiben.«
»Dann zähle diese zehn Dukaten und erzähle allen, dass unser Heiliger Vater großzügig mit dem Volk ist.«
Canale warf ihm ein Stoffsäckchen hin, das der Mann nicht fangen konnte, weil er noch am ganzen Körper unkontrolliert zitterte. Die Münzen fielen zu Boden. Eilig kniete Battistino nieder und begann, sie hastig unter den neidischen Blicken der Wächter einzusammeln.
»Beeil dich!«
»Ja, mein Herr. Fertig, Herr. Darf ich nun gehen, Herr?«
»Du kannst es wohl kaum erwarten, sie mit irgendeiner Hure auszugeben, oder? Aber ja doch, geh und genieße dein Leben. Du siehst, wie kurz es selbst für diejenigen sein kann, denen der Herr gewogen ist. Und nun: Hau ab!«
Überglücklich stolperte Battistini von dannen, und der Hauptmann wandte sich erneut dem Mann in Ketten zu.
»Du hast ihn also in den Fluss gestürzt, du Hundesohn, du!«
»Nein, Herr!« Der Slawe flehte und weinte. Blut und Tränen mischten sich auf seinem Gesicht. »Ich schwöre es bei allen Heiligen!«
Carlo Canale versetzte ihm einen gezielten Tritt in die Magengrube, worauf der Mann ohnmächtig vornüberkippte. Einer seiner Schergen beeilte sich, einen Eimer mit Urin über ihm auszuleeren, aber der Mann rührte sich nicht. Einen Augenblick befürchtete Carlo, dass er ihn umgebracht hätte. Aber dann sah er, dass er noch atmete, schwach zwar, aber immerhin. Auch er atmete schwer. Die stickige Hitze in der Zelle war unerträglich, deshalb zapfte er sich aus seinem Fässchen einige Krüge Bier. Während die gewaltigen Rülpser die verbleibende Luft nun ganz und gar verpesteten, fragte er sich in seinem bereits benebelten Hirn, was wohl sein Weib Vannozza in solch einer Situation getan hätte oder was sie ihm jetzt riete. Im Geiste erschien sie ihm, und er stellte sich vor, wie sie, mit einem Glas Falerno in der Hand, auf dem Hexenstuhl saß – aber auf schön gepolsterten Kissen, damit sie nicht von den Nägeln durchbohrt würde.
»Warum schaust du mich so an?«
»Du bist ein Idiot, wie immer. Anstatt eine gute Figur vor Alexander zu machen, vergnügst du dich lieber hier und folterst diesen armen Tropf.«
»Ich bin der Hauptmann der Wachen!«
»Du bist einer der Hauptmänner der Wachen, und das nur durch mich. Ich habe dich meine Macht kosten lassen, weil ich eine barmherzige Seele bin.«
»Und du bist eine feiste Kuh, wie dein Gasthaus.«
»Und ich bete zu Gott, dass er einen Hengst aus dir macht, aber darum bin ich nicht hier. Nimm den Mann, bevor er das Zeitliche segnet, und bringe ihn vor Alexander zum Reden. Egal, was er sagt – ob es nun Cesare oder er war: Tue einfach gleichgültig und warte auf Befehle. Nimm aber nur die vom Papst oder seinem Sohn selbst entgegen.«
»Vom Papst. Oder seinem Sohn. Oder vom Heiligen Geist!«
»Im Grunde genommen bin ich froh, dass ich dich zum Mann genommen habe, Carlo Canale, denn du bringst mich ab und an zum Lachen.«
Carlo Canale zeigte mit dem Finger auf sie und schloss die Augen, um sich eine Antwort zu überlegen. Als er sie wieder öffnete, saß statt ihrer nur sein Vize vor ihm, der ihn verdutzt und mit einem schiefen Grinsen ansah. Er haute auf den Tisch und warf dabei den vollen Bierkrug um. Bevor Carlo Canale seine Meinung über den Rat seines Weibes ändern konnte, hatte er sich bereits auf sein Ross geschwungen und sich mit zehn Waffenträgern und dem armen Gefangenen – der aussah, als käme er auf die Schlachtbank – auf den Weg zur Basilika gemacht. Der Mob rottete sich eng um das Grüppchen zusammen, und das Stimmengewirr wurde immer lauter und konfuser. Die öffentliche Erregung ging sogar so weit, dass der eine oder andere beim Anblick des blutüberströmten Gesichts glaubte, in dieser Fratze das Ebenbild des Mörders zu erkennen, dessen Name – Cesare Borgia – bereits in aller Munde war. Der Mob wurde immer langsamer und darum umso gefährlicher, denn so zog er mehr Bettler, Neugierige und Taschendiebe an. Canale hielt sein Pferd an und näherte sich dem Gefangenen. Er beugte sich aus den Steigbügeln, verpasste dem armen Teufel mit der
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