Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
Herr.«
Ferruccio fuhr sich durchs Haar.
»Bist du dir sicher, dass das stimmt, was du da sagst?«
»Sicher ist nur der Tod, aber Ihr könnt Euch selbst davon überzeugen. Geht zum Ripetta-Hafen. Aber seid auf der Hut: Dort sind die Mannen des Grafen mit Peitschen und Lanzen. Sie legen jedem, der auch nur halbwegs verdächtig aussieht, die Halsgeige an.«
»Warte, du Spitzbube. Ich gebe dir einen halben Scudo, wenn du mich dorthin begleitest.«
Der Mann machte eine unbeholfene Verbeugung.
»Für einen werde ich Eure Amme sein – und seid versichert: Mein Spieß hat nicht nur Hähnchen aufgespießt!«
»So sei es also ein ganzer Scudo, aber wenn du zu scherzen wagst, wirst du ein Bad im Tiber nehmen.«
»Über Geld scherze ich nie, mein Herr. Ich werde hier unten auf Euch warten.«
Ferruccio entschied sich für sein Bohrschwert, das nicht so auffällig war wie sein Zweihänder und in den engen Gassen im Zweikampf einfacher zu handhaben war. Gewissenhaft kontrollierte er die Riemen, mit denen er außerdem noch einen Dolch auf seinen rechten Unterarm gebunden hatte. Dort steckte er unauffällig unter dem weiten Hemdsärmel. Und dort musste er auch unter allen Umständen bleiben, solange er ihn nicht ziehen musste: Denn wenn ihm diese Waffe aus Versehen zu Boden fiele, wüsste jeder, dass er kein Edelmann war, sondern ein Diener der Waffen. Oder schlimmer: Man könnte ihn für einen gedungenen Mörder halten. In Rom war dies zwar kein unübliches Metier, aber die meisten Mörder landeten früher oder später in den Käfigen vor der Engelsburg – wo sie von den Krähen gefressen wurden. Ferruccio stieg über die beiden Freudenmädchen, die vor seiner Tür schliefen, und ging lautlos die Treppe hinunter.
Er durfte und konnte sich keinen Fehler erlauben – er wusste nur zu gut, dass das Leben Leonoras in seinen Händen lag. Durch die Hand dieses ruhmlosen Bastards, der sich rühmte, ein Fürst der Kirche zu sein und der von seinem Vater Lorenzo de’ Medici nur den Namen geerbt hatte, hatten sich nun die Sterne, der Himmel und das Fatum, die sie einst zusammengeführt hatten, gegen sie beide verschworen. Dieser Bastard sprach mit gespaltener Zunge, denn er wollte ihn glauben machen, dass er mit dieser Mission den Zielen Giovanni Picos näher käme und seinen Teil zum Gelingen beisteuern könnte. Dass er für diese Lüge den Namen des treuesten Freundes seines Vaters missbrauchte, war schändlich. Wenn einer von Medicis Schergen oder gar er selbst Leonora auch nur ein Haar krümmen würde, schwor sich Ferruccio – würde er ihm seinen Dolch ins Herz stoßen, und koste es auch sein eigenes Leben!
»Was sagt Ihr, Exzellenz? Wem wollt Ihr einen Dolch ins Herz stoßen?!«
»Nichts. Ich habe nur laut gedacht. Sag mir lieber, wie du heißt.«
»Gabriel. Als ich auf die Welt kam, war ich blond und hatte Locken wie eine Putte, und so nannten mich die Mönche nach einem Engel … Es erfreut mich, Euch ein Lächeln entrungen zu haben, Exzellenz.«
»Du weißt also nicht, wer deine Eltern waren.«
»Nein, mein Herr. Auf dem Linnenband an meinem Ärmchen stand geschrieben filius ignotae , mit einem ›M‹ dazwischen, für ›Mutter‹. Mehr nicht. Aber nennt mich nicht Hurensohn, vielleicht gebar mich ja eine Nonne. Und über meinen Vater wollen wir lieber kein Wort verlieren. Vielleicht war es ein feiner Herr, so wie Ihr? Ihr könnt es allerdings nicht sein, Ihr seid zu jung dafür.«
Vom Gasthaus Zur Feisten Kuh aus wählten sie die kleinen Gässchen, auf denen nicht viel los war, in Richtung Pantheon; von dort aus gingen sie zur Piazza Agone.
»Wir machen zwar einen Umweg, mein Herr, aber so vermeiden wir die Häuser der Aldobrandini und der Caetani, die immer für eine Rauferei zu haben sind. Und wo Raufereien sind, sind auch die Soldaten nicht weit weg – beiden sollten wir allerdings lieber aus dem Weg gehen.«
Ferruccio und Gabriel erreichten den Gasthof Zum Löwen , der auch der Vannozza de Cattanei gehörte und in dem Ferruccio keinen Platz gefunden hatte. Sie gingen weiter am Nona-Kerker vorbei und gelangten schließlich an die Ufer des Tibers. Es war nicht notwendig, dass Gabriel ihm den Fundort des blaublütigen Kadavers wies, denn man konnte die vielen Feuer bereits von Weitem sehen. Es sah wie in einem Militärlager aus.
»Kommt, die Schiffer kennen mich gut. Öffnet aber Euer Hemd, damit Ihr nicht gar zu hochwohlgeboren ausseht – das gefällt ihnen nämlich ganz und gar nicht.«
Der Körper
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