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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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damit auch er verschwände. Er neigte seinen Kopf zur Seite und verschränkte die Arme unter seinem Pluviale.
    »Die Hand unseres Sohnes Cesare«, urteilte er, »war hurtiger als die der Kirche. Die Verleumdungen eines verkauften Schiffers schmerzen uns zwar, aber sie werden uns nicht von unserer Pflicht ablenken, diese schreckliche Missetat aufzuklären, die nicht nur unsere Familienehre, sondern auch die Heiligkeit der Kirche Roms verletzt. Deshalb bestellen wir umgehend eine Kommission zur Untersuchung des Vorfalls ein und rufen eine dreitägige Trauer aus. So, und nun holt mir den Canale; ich möchte alleine mit ihm sprechen. Auch du, Cesare, ja, auch du gehst.«
    Ohne Unterlass wanderten die glasigen Augen Carlo Canales prüfend durch den Saal. Hinter jeder Bewegung der Vorhänge, ja hinter jeder sich öffnenden Tür vermutete er zwei oder drei Meuchelmörder. Er würde keinen Finger gegen sie erheben und sich wie ein Lamm abführen lassen – denn ein Fuchs im Wolfsbau hat keine Chance. Um sich Leid zu ersparen, würde er ihnen sogar gleich seine Kehle darbieten. Nun wusste er und hätte doch nicht wissen dürfen. Verfluchte Vannozza und ihre Ratschläge!
    Der Papst strich sich über seinen Nasenhöcker. Eine Geste, die Canale nur allzu gut kannte. Alexander VI. tat dies häufig, wenn er nachdenken musste. Vielleicht gab es ja noch ein wenig Hoffnung, dachte er müde.
    »Ich brauche dir wohl nicht zu sagen …« – der Papst betonte jedes Wort – »dass das, was du gesehen und gehört hast, nie geschehen ist. Wir vertrauen auf dich, Carlo.«
    Der Hauptmann riss die Augen auf und bekam eine Gänsehaut. Der Papst vertraute ihm! Er zweifelte also nicht daran, dass sein Geheimnis bei ihm gut aufgehoben war! Sein Leben war gerettet! Und nicht nur das: Nun verband sie etwas miteinander, Alexander und ihn. Carlo lächelte unter Tränen und warf sich vor die Füße des Papstes, um ihm auf Knien die roten Füßlinge zu küssen.
    »Was hast du, Canale? Alto, por Dios ! Hör auf damit!«
    »Habt Dank! Danke, guter Vater! Ja, verzeiht, ich bitte Euch, mein Vater, aber ich bin gar zu glückselig.«
    Alexander befreite sich aus der Umklammerung seines Hauptmanns und bereute, mit ihm alleine geblieben zu sein.
    »Und aus welchem Grunde?«
    »Ich hatte Angst, mein Vater, ich befürchtete, dass Ihr mir nicht genug vertrauen könntet – obwohl es dazu selbstredend keinen Grund gab. Und ich fürchtete, dass Ihr mich ob der Beziehung zu Madonna Vannozza … also … die uns gewissermaßen eint … dass Ihr mich für alle Zeiten aus Eurem Kreise verbannen wolltet. Aber Euer Wunsch gibt mir zu verstehen, dass Ihr nicht auf mich zornig seid und dass Ihr wisst, wie sehr Ihr auf meine ewigliche Ergebenheit zählen könnt, die ich Euch nie verweigern würde.«
    »Geh, Carlo, und überbringe Vannozza Unseren Segen. Gib ihr in Unserem gemeinsamen Schmerz den Trost, dessen jedes Weib bedarf, wenn ihr ein Sohn stirbt.«
    Der Hauptmann stand auf, trocknete sich die Tränen und faltete die Hände zum Gebet vor der Stirn, als wolle er die Kraft auf die aussichtslose Gewährung einer Gnade erflehen. Er hob die Augen gen Himmel und schloss sie in stummer Dankbarkeit, holte tief Luft und verließ katzbuckelnd den Saal.
    Immer noch strich sich Alexander ohne Unterlass über seinen Nasenhöcker. Canale hatte gedacht, und das war bereits ein Malheur. Die Gedanken eines Idioten sind gefährlich, weil man nie weiß, welche Richtung sie einschlagen werden. Ferner hatte Canale mehr oder weniger zugegeben, dass man ihn zu Recht verdächtigte, indem er fest mit seiner Hinrichtung rechnete. War es nicht der heilige Augustinus, der sagte: »Der, der den anderen nicht traut, traut sich selbst nicht«? Oder war es der Aquinat? Unwichtig. Jedenfalls musste das Problem Canale schnellstmöglich aus der Welt geschaffen werden. Die größte Schwierigkeit dabei war Vannozza, die nicht so einfach akzeptieren würde, ein drittes Mal Witwe zu werden. Und es würde auch nicht einfach werden, das Ganze wie einen tragischen Unglücksfall aussehen zu lassen. In diesem Fall erschienen Bilsenkraut oder Arsen, deren Geheimnisse er nur zu gut kannte, wohl geeigneter zu sein.
    Daher wäre es die beste Lösung, wenn Canale der Rache eines Verwandten oder besser noch, eines eifersüchtigen Ehemanns, zum Opfer fallen würde – dann müsste Vannozza schweigen. Dieser Frau hatte er bereits zu viel zugestanden, aber sie war die Einzige, die ihn je wirklich geliebt hatte, und das

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