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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Ort. Ich konnte aber nicht alles verstehen, denn ich wäre Gefahr gelaufen, entdeckt zu werden.«
    Ihr Bericht wurde genauer, und Bayezid hörte ihr aufmerksam zu. Dieses Mädchen, das noch nicht einmal sechzehn Jahre alt war, war ihm teurer als jede andere: Sie war ihm nicht nur zutiefst ergeben, sondern auch noch schön und intelligent. Darum hatte er ihren Namen in Amina geändert, was so viel wie »die Getreue« bedeutete. Obwohl es eine angemessene Bezeichnung war, gefiel es ihm jedoch nicht, dass sie ihn »Vater« nannte. Er hoffte, dass sie sich bald mit einer anderen Anrede an ihn wenden würde – darum hatte er sie noch nicht angefasst.
    »Du warst ein braves Mädchen, Amina. Du bist das Licht meiner Augen. Sie haben dich doch nicht gesehen, oder?«
    Niemand durfte auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen, dass er etwas von den Intrigen gegen seine Person wusste – aber die Gefahr, in die sie sich für ihn begab, beunruhigte Bayezid zutiefst. Amina lächelte ihn an, und zwischen ihren schwarz umrahmten Lippen erschienen ihre Zähne weißer als Perlen. Sie deutete auf ihre schwarzen Pluderhosen und die leichte Tunika, die ebenfalls schwarz war.
    »Die schwarze Farbe hat mich vor ihren Blicken beschützt, und mein Odem war lautlos. Nein, Vater, sie haben mich weder gesehen noch gehört. Aber das, was ich hörte, bereitet mir immer größere Sorgen um Euer Leben, und ich bete jeden Tag zu Gott, dass er Euch beschützen möge.«
    »Solange ich dich an meiner Seite habe, wird mir nichts geschehen. Und nun geh, mein Kind, und ruhe dich aus, im Namen Allahs.«
    Ja, er würde noch ein langes Leben haben – aber gegen das, was seine Feinde vorhatten, würden Gebete nicht helfen. Vielleicht würde ja nicht einmal die Macht Gottes ausreichen, um ihn zu schützen. Denn Gott stellte ihn vor die schwerste Prüfung seines Lebens – und in seiner Unergründlichkeit war er unberechenbar: Er hatte ihm einen Verbündeten aus der Reihe seiner Feinde gegeben – dafür aber einen Feind in seinem Haus versteckt. Es war wie ein Schachspiel, das auf verschiedenen Spieltischen ausgetragen wurde. Eine Partie mit unsicherem Ausgang und einem parteiischen Schiedsrichter: Gott, der den Herrscher zweifeln ließ.

20
    Rom, 16. Juni 1497
    Im zweiten Stock des Gasthauses Zur Feisten Kuh war Ferruccio in einen unruhigen Schlaf gefallen. Das Gegröle in den Gassen hatte ihn jedoch geweckt, und er erhob sich mit schmerzenden Gliedern von seinem Heulager. Vier Scudi für ein dreckiges Zimmer, das er auch noch mit zwei anderen teilen musste, waren eine Schande – aber man zahlte bekanntlich für das Privileg, in einem Haus von Madonna Vannozza nächtigen zu dürfen. Vielleicht würde es einem Glückspilz, der ein anständiges Zimmer ergattert hatte, sogar gelingen, eine Bittschrift zu überreichen, und der eine oder andere würde sogar prahlen, dass er im selben Bett genächtigt hätte, in dem die Hausherrin mit dem Papst Unzucht getrieben hatte. Ferruccio musste mit diesem Nachtlager vorliebnehmen, da er in diesem Stadtviertel bleiben musste, um nicht erkannt zu werden: Mit Sicherheit würden es die Soldaten des Papstes nicht wagen, das Gasthaus Zur Feisten Kuh zu betreten. Er öffnete die Fensterläden, sah aber nur die tanzenden Lichter der Fackeln und Laternen, mit denen die torkelnden Betrunkenen herumfuchtelten. Wie immer war aus ihrem Geschrei kein Sinn herauszuhören. Auf die grundlose Störung der Nachtruhe der armen Römer standen zwar Kerker und Auspeitschung, aber diese harten Strafen ereilten üblicherweise eher das einfache Volk – nie die edlen Herren. Ferruccio leerte den Inhalt seines Nachttopfes über einer Fackel aus, die allerdings nicht ausging, sondern fröhlich weiter vor sich hin zischte.
    »Du Hund, du!«, fluchte ein Schatten.
    »Auf dass dich die Räude heimsuche!«, schrie Ferruccio zurück. »Du hast die Gäste der Vannozza de’ Gandia de Cattanei in ihrer Nachtruhe gestört. Was geschieht da unten? Sprich, du Spitzbube!«
    Der Schatten zögerte, als er den Namen vernahm, der zweifellos auch noch von einem Edelmann ausgesprochen worden war. Er wischte sich eilig den Urin aus dem Gesicht – als wolle er seinen Anblick dadurch erträglicher machen.
    »Der Herzog von Gandia, der Sohn des Papstes! Sie haben ihn im Tiber gefunden. Aufgeschlitzt wie eine Sau! Ich werde bei den Savelli und den Colonna anheuern, die nehmen jeden und zahlen auch gut. Aber mit diesem Pissegestank habt Ihr mir alles ruiniert, mein

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