Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
zu, oder du trollst dich jetzt!«
Cesare wandte sich zu seinem Vater um. In seiner Hand hielt er ein spitz zulaufendes Stilett und begann damit, sich den Dreck unter seinen Fingernägeln herauszupulen.
»Ich verstehe nicht, was dieser Bastard im Schilde führt«, fuhr der Papst fort. »Auf der einen Seite bittet er Uns um Verzeihung. Auf der anderen verliert er sich in obskuren Drohungen. Er bietet Uns seine Dienste an. Er schmeichelt Uns und beendet dann das Schreiben mit …«
»Gib mir den Brief, Vater.«
Unter dem Siegellack war eine gelbe Schleife mit roten Kügelchen aufgebracht: höchst offiziell also, aber ohne Absender. Ein zweideutiges Zeichen – arrogant und doch respektvoll.
Der untertänigste Diener Eurer Heiligkeit und des Allerhöchsten erfleht Euren Segen. Sollten in der Vergangenheit mangelnden Respekt bezeugende Worte oder Taten Eure Güte und Großmut befleckt haben, so erbitten Wir Eure Vergebung – und als Zeichen unseres Bereuens erbitten Wir mit geringster Hoffnung, dass Ihr uns erhören möget und uns die Erlaubnis erteiltet, Unsere untertänigste Abbitte an Eurem Hofe leisten zu dürfen mit einem von Euch unterzeichneten Geleitbrief. Selbigen mögt Ihr unserem Botschafter anvertrauen, auf dass Wir Euer Reich unversehrt betreten und verlassen können, um Euch die Uns anvertrauten Schriften vorzulegen, welche von größtem Interesse für Euch sein müssen. Cum di favore responsum expextamus. Johannes Cardinalis Medici Familiae .
»Er erscheint mir dem Wahnsinn anheimgefallen und des Schreibens nicht mächtig«, war alles, was Cesare dazu zu sagen hatte.
»Er ist der Sohn seines Vaters und Kardinal, seitdem er dreizehn Jahre zählt. Und nach neun Jahren Lehrzeit hat er sich sehr wohl Fähigkeiten angeeignet. Er wird erhalten, was er wünscht. Ich werde seinen Springer matt setzen, damit der König selbst sich heranwagen muss.«
»Am besten in den Nona-Kerker«, grinste Cesare. »Oder wir setzen ihn hier in der Engelsburg schachmatt.«
»Das wird nicht notwendig sein. Erinnere dich immer daran, dass ich die Königin bin.«
»Und ich dein Läufer.«
Mit einer schwungvollen Bewegung seines Baretts beendete Cesare seine Verbeugung und schritt von dannen.
Als er in den Burghof trat, unterbrachen die Soldaten ihre Übungen und salutierten. Auf sein Kommando folgten ihm die Hauptmänner unverzüglich und erstatteten Bericht; bis vor einem Monat hatten sie dies seinem Bruder gegenüber getan. Cesares offizielle Ernennung zum Gonfaloniere, hatte ihn sein Vater getröstet, werde schon noch zur rechten Zeit kommen – die Macht tatsächlich auszuüben sei wichtiger als die Ernennung selbst. Der Alte hatte wahrscheinlich recht – so war es ja auch bei Cäsar gewesen, der nie Kaiser geworden war. Er befahl den Hauptmännern, in jeden Ort, wo auch nur der Verdacht bestand, dass die Pestilenz Einzug gehalten haben könnte, einen Trupp Soldaten mit einem Bader zu entsenden. Und er wies sie an, innerhalb der nächsten zwei Monate, spätestens jedoch bis zu seinem Geburtstag am 13. September, ihm, und nur ihm allein, Bericht zu erstatten. Bei Missachtung dieses Befehls, fügte Cesare drohend hinzu, erwarteten sie die hängenden Käfige vor der Festungsmauer.
Es war kühler geworden, und ein Ausflug ans Tiberufer würde Ordnung in seine Gedanken bringen.
Behände schwang er sich auf seinen Andalusier und tätschelte ihm den Hals. Ein kurzer Wink, und auch Micheletto stieg auf seinen kleinen Maremmano, um ihn zu begleiten. Der Tag war noch jung, und bevor die Sonne unterging, würde er Lucrezias Stirn geküsst und ihr den Namen des Erzeugers des getöteten Bastards entrissen haben. Er hatte sich gut verstellt, sein Vater würde unter keinen Umständen Verdacht schöpfen, und auch Lucrezia würden ihre Schmeicheleien, ihre Tränen und ihre Liebesschwüre nichts nützen.
Micheletto musste das Werk zu Ende bringen, und bald, bald, würde er einer anderen Schwester, einer Schwester Jesu, die rechtmäßige Belohnung zuteilwerden lassen: erst mit seinem Schwengel, den er in seinem Unterkleid trug, und dann mit seinem scharfen Dolch,den er dahinter verbarg.
26
Rom, 20. August 1497
Eine Woche zuvor hatte ihnen Fürst Colonna seinen ersten und einzigen Besuch abgestattet – um ihnen zu sagen, dass er abreisen würde. Seine Gäste, die unter dem Schutz des Kardinals de’ Medici standen, disputierten so erbittert über jede Angelegenheit, dass er es vorgezogen hatte, ihnen gar nicht erst mitzuteilen,
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