Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
verärgert.
»Unser junger Freund hier versteckt den Samen des Philosophen unter der Rüstung eines Kriegers. Ich verstehe immer besser, warum er dem Grafen Mirandola so nahestand, dessen Geist sich hier, mitten unter uns, befindet. Wenn sich auch sein Körper hier befände, dann würde er dir sagen, dass das Karma nichts anderes ist als die notwendige Reaktion auf eine Aktion. So wie das hier.«
Ohne Vorwarnung schlug er Ferruccio mit der Stockspitze auf den Kopf.
»Hör auf, Ada Ta. Ich habe keine Lust auf Spielchen.«
Der Mönch schlug ihn ein zweites Mal. Gua Lis Lippen begannen zu zittern.
»Ich habe gesagt: genug, du alter Wirrkopf!«
Noch einmal traf Ferruccio der Stock auf den Kopf: Er hatte den Schlag kommen sehen, konnte ihm aber nicht ausweichen. Wütend zeigte er mit dem Finger auf Ada Ta, doch dieser nutzte die Gelegenheit, um ihm einen schmerzhaften Schlag auf den Knöchel zu verpassen. Der schneidende Schmerz zerriss etwas in Ferruccio, und wie eine in Öl getauchte Fackel spürte er ein brennendes Feuer in sich auflodern. Mit einem erstickten Schrei und vollkommen außer sich sprang er auf, um sich auf Ada Ta zu stürzen. Dabei warf er seinen Stuhl um. Die Worte sprudelten nur so aus seinem Mund heraus.
»Ihr! Euretwegen haben sie mein Weib entführt! Und Euretwegen weiß ich nicht, ob ich sie je wiedersehen werde!«
Er zielte mit der Spitze seines Schwertes auf Ada Ta, doch seine Hand zitterte. Er wusste, dass er nichts preisgeben durfte; das war eine der Bedingungen gewesen, die ihm der Kardinal auferlegt hatte, doch nun war der Damm gebrochen.
»Ihr seid ein Fluch, alle beide. Ihr sprecht über Mirandola, als ob Ihr seine Vertrauten gewesen wärt! Er war aber mein Freund und nicht der Eure! Was wisst Ihr schon über ihn? Nichts, gar nichts! Und Ihr sprecht über Jesus, als hättet Ihr ihn leibhaftig kennengelernt, und erzählt mir Märchen, die allzu schön klingen, um wahr zu sein. Und Ihr verleitet mich dazu zu glauben, dass die Pläne von de’ Medici sich tatsächlich verwirklichen könnten. Ihr seid doch nur Marionetten – Marionetten aus einer anderen Welt, die mich und die anderen täuschen wollen. Ihr seid Teufel, die sich daran ergötzen, mich zu quälen. Nun ist aber endgültig Schluss damit, es reicht!«
Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte Ada Ta bis zum Schluss zugehört. Dann begann er, seinen Stock vor Ferruccios Nase rotieren zu lassen. Ferruccio war immer noch außer sich und stieß nach ihm. Der Mönch wich ihm aus. Geschickt vollführte er auf seinem linken Fuß eine Drehung, schlug dabei mit seinem Stock auf Ferruccios rechtes Schlüsselbein und landete dann hinter ihm. Ohne sich umzudrehen, führte Ferruccio einen Hieb nach hinten aus, mit dem er schon mehr als einmal die Milz seines Gegners erwischt hatte. Der Schlag ging jedoch ins Leere, und als er seinen Kopf hob, erwischte ihn ein Schlag in den Nacken: Ada Ta befand sich noch immer hinter ihm. Instinktiv drehte sich Ferruccio um, damit er den Schädel des Alten treffen konnte – eine gefährliche Aktion, aber oft kampfentscheidend. Ada Ta klemmte ihm mit seinem Stock Hals und Arme ab und zwang ihn in die Knie. Es genügte ein leichter Druck mit dem Daumen, und Ferruccio ergab sich.
Schwer atmend lag Ferruccio schließlich rücklings auf dem Boden, und als Gua Li ihre Hand auf seine heiße Stirn legte, begannen ihm die Tränen über das Gesicht zu laufen. Die junge Frau hob ihren Blick zu Ada Ta, der seine Augen schloss und den Kopf senkte. Gua Li beugte sich über Ferruccio und nahm seinen Kopf in ihre Arme. Er klammerte sich an sie und begann, seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Ada Ta wartete, bis der Tränenfluss verebbte und Ferruccio sich wieder beruhigt hatte.
»Der weise Lao-Tzu sagte einmal: Das, was für eine Raupe das Ende bedeutet, nennt die Welt einen Schmetterling .«
Als Gua Li bemerkte, dass Ferruccio sich seine Tränen weggewischt hatte, legte sie ihm ein Kissen unter den Kopf, gab ihm etwas zu trinken und hielt dabei seinen Kopf.
»Es tut mir leid. Verzeiht!«, entschuldigte sich Ferruccio. »Seit Jahren ist mir nichts mehr dergleichen passiert. Normalerweise lege ich ein anderes Benehmen an den Tag.«
»Derjenige, der stärker als die anderen ist, vermag ein Bezwinger zu sein, doch nur, wer sich selbst besiegt, ist wirklich stark.«
Ada Ta reichte Ferruccio die Hand und half ihm auf die Beine.
»Der Alte«, fuhr Ada Ta fort, »bittet dich inständig um Verzeihung. Aber er musste
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