Das Vermächtnis des Martí Barbany
dieser beklagte sich, dass die Meinungsverschiedenheiten, die ihn mit seinem Vetter in Lérida entzweiten, ihn daran gehindert hatten, Verstärkungen zu erhalten. Ständig plagte ihn der Zweifel, ob er sich verteidigen oder die Stadt dem Eindringling ausliefern sollte, um schlimmere Übel zu vermeiden. Die Belagerung würde vermutlich lang und blutig sein, doch seine Erfahrung warnte ihn, dass die Rache des Feindes, wenn die Festung fiel, desto schlimmer ausfallen würde, je mehr Drangsale er erduldet hatte. Der Graf von Barcelona genoss einen legendären Ruf, und Muhammad II. befragte, wie er es gewöhnt war, unaufhörlich Astrologen und Wahrsager, die ihm sein Schicksal verkünden sollten. Die Scharmützel hatten begonnen, und auf die Steine, die von den Katapulten der Belagerer verschossen wurden, antworteten die Verteidiger der Stadt, indem sie Wolken von Pfeilen auf die Angreiferscharen verschossen. Zwei Ereignisse beeinflussten die Entscheidung des Königs. Zunächst einmal, dass auf dem Schlachtfeld zwei riesige, dreistöckige Belagerungstürme auftauchten. Sie waren mit Rädern ausgestattet und waren mit ungegerbten, in Wasser eingeweichten Tierhäuten bedeckt, um zu verhindern, dass der brennende Teer, den die Verteidiger aus den Pechnasen hinabschütteten, sie in Flammen aufgehen ließ. Zu diesen Apparaten gehörte im untersten Stockwerk ein Sturmbock, mit dem man die Tore aus der Deckung heraus angreifen konnte. Im zweiten Stockwerk warteten die Truppen, die den ersten Angriff unterstützen
sollten, und im letzten Stockwerk befand sich eine kleine Zugbrücke, die zusammengeklappt war und als Schutzschild diente. Sie hatte Eisenzähne, die sich festbeißen sollten, wenn man die Brücke hinabließ. Diese Maschinen wurden von Maultiergespannen gezogen. Sie rollten vom Flussufer heran, und sie konnten dreihundert Kämpfer aufnehmen. Der zweite Umstand, der Muhammad II. zum Nachdenken brachte, war, dass die Schanzgräber in Berenguers Heer, die sich auf unterirdische Arbeiten verstanden, einen der großen Wasserbehälter Tortosas angebohrt hatten, sodass das überaus kostbare Nass unaufhaltsam auslief und der Wasserspiegel zusehends sank.
Ein schrecklicher nächtlicher Albtraum beschleunigte seine Entscheidung. Er ließ seinen ersten Dragoman zu sich kommen und teilte ihm seine Sorgen mit. Er hatte geträumt, dass ein prall mit Blut gefüllter Mond im Wasserbehälter unterging, der sich in diesem Augenblick entleerte, worauf das Wasser eine tiefrote Farbe annahm. Die Flüssigkeit ergoss sich in die Straßen, überschwemmte alle Stadtviertel und drang sogar über die Mauern.
Der Traumdeuter zögerte kurz, denn er kannte Muhammads Gewohnheit, den Boten zu töten, wenn dieser Neuigkeiten brachte, die ihm missfielen. Plötzlich fand er eine Lösung, mit der er das Ganze zu seinen Gunsten abwandeln und das Chaos für sich nutzen konnte.
»Herr, der Himmel schickt Euch ein deutliches Zeichen, was Ihr tun sollt, damit aus dieser schlimmen Lage in ein paar Jahren eine günstige Entscheidung hervorgeht. Der Traum zeigt Euch, dass Verrat in Eurem Königreich um sich greift. Heimtückische Leute belauern Euch und überschwemmen alles mit einer roten Flut, die, wenn Ihr keine Abhilfe schafft, große Übel voraussagt. Schließt einen Vertrag mit dem Feind, bezahlt den Tribut, den Ihr vereinbart, und beschafft Euch das Geld von den Familien, die Euch nicht ergeben sind. Beschlagnahmt das Vermögen dieser schlechten Untertanen, und gebt ihre Söhne als Geiseln. Auf diese Weise erlegt Ihr zwei auf einen Streich und befreit Euch für viele Jahre von den ehrgeizigen Raubtierjungen dieser Adligen. So gewinnt Ihr Zeit und schafft Euch diesen schrecklichen Feind vorläufig vom Halse.«
Der Rat des Astrologen gab den Ausschlag. Nach einer Weile ritt eine Reiterschwadron hinaus, im Schutz einer weißen Friedensfahne und der grünen Standarte mit dem roten Salamander, dem Wahrzeichen Tortosas. Sie begleitete den Emir, der die Anweisungen des Königs bei sich
trug, um die Formalitäten der Begegnung beider Souveräne und die Übergabebedingungen zu vereinbaren.
Ramón Berenguer stellte äußerst harte Bedingungen: dreißigtausend Goldmancusos jährlich, zweihundert männliche Sklaven bei der Übergabe der Stadt und hundert Jungfrauen, die seinen Hauptleuten dienen sollten.
Nachdem der Emir seinem Herrn die Forderungen des Barcelonesen dargelegt hatte, kehrte er zurück, um die Übergabeformalitäten abzusprechen. Muhammad II.
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