Das Vermächtnis des Martí Barbany
sonderbares Reliefbild mit einem X und einem P, die in einem Kreis eingeschlossen waren. Martí hielt das für ein religiöses Symbol. Zwei Wände waren mit Regalen vollgestellt. Auf ihnen standen ein paar kleine Figuren, Messingbecher,
einige Hafenhandbücher und ein Krug mit einem ohrenförmigen Henkel an einer Seite und einer langen Tülle an der anderen.
Martí befreite sich von dem Mann, indem er ihn an den Bettsack lehnte, und dann begann er, ihm die durchnässte Kleidung auszuziehen. Er trocknete ihn mit einem Tuch ab, das er dort fand, und nachdem er die dicke Decke über ihn gebreitet hatte, schürte er das Feuer im Kamin und legte ein paar Scheite aus einem Bund nach, das er in einem Korb entdeckte. Als Hassan normal atmete, zog auch Martí seine Sachen aus und legte sie zum Trocknen auf eine Stuhllehne nahe beim Feuer. Inzwischen hatte er einen Hausrock aus einem Regal genommen und warf ihn sich über die Schultern. Er reichte ihm kaum bis zu den Knien. Auf einem nahen Minarett stimmte ein Muezzin kurz vor Mitternacht das Isha-Gebet an. Als der Mond weiterwanderte, versank das Zimmer im Dunkel. Martí beschloss, zum Minotauros zu gehen, sobald seine Sachen ein bisschen getrocknet waren, denn nur wenige Stunden später sollte ihn der Wagen für die Fahrt nach Pelendri abholen, und ihn überwältigte die Müdigkeit nach diesem feuchten Abenteuer und dem ganzen aufregenden Tag. Hassans Stimme ließ ihn hochschrecken.
»Ich sehe Euch fast gar nicht. Es ist besser, dass Ihr den Docht anzündet.«
»Wovon redet Ihr? Ich sehe hier nirgends eine Öllampe.«
»Lasst mich machen.«
Hassan zog die Decke von seinem mageren Körper zurück, stand auf und lief zum Kamin. Mit einer Zange nahm er ein glühendes Kohlestück aus der Asche, blies darauf und ging zum Tisch. Als die Flamme lebhafter brannte, hielt er das Feuer an den gekrümmten Docht, der auf der schwarzen und dicken Flüssigkeit des Gefäßes schwamm, und sogleich erleuchtete eine weitere, blau glänzende Flamme den Raum.
»Ich bin zu arm, als dass ich mir einen anderen Luxus als das unbedingt Notwendige erlauben könnte. Heute habe ich mir in der Goldenen Muschel etwas Gutes gegönnt, weil mir mein Bruder aus Kerbela, wo er lebt, Geld von meiner Erbschaft geschickt hat. Morgen kaufe ich mir dann eine Öllampe.«
Martí kam nicht aus dem Staunen heraus.
»Aber – was ist das für eine Erfindung, die Euch Licht spendet?«
»Auch das schickt mir manchmal mein Bruder. Das gehört zu dem wenigen, was meine Heimat zu bieten hat. Es ist nur schade, dass es beinahe keinen Nutzen hat.«
»Wo kommt es her?«
»Gleich aus dem Boden. Bei meinem Elternhaus gab es einen See, und ich und meine Geschwister, mit mir waren wir zehn, vertrieben uns als Kinder die Zeit mit dem Spiel, dass wir eine Flamme an die Blasen hielten, die dort zerplatzten, und so konnten wir kleine Brände entfachen.«
Martí wurde von einem plötzlichen Einfall erleuchtet.
»Ihr habt gesagt, Ihr seid aus Kerbela. Wo liegt diese Stadt, und wer wohnt dort?«
»Sie liegt in Mesopotamien, am Ufer des Euphrat. Dort gibt es nur Hitze und Elend. Sie ist berühmt, weil dort der Sohn Alis, des Schwiegersohns des Propheten, besiegt wurde, und manche pilgern zu seinem Grab. Sie leben von der Jagd, sie ziehen den erlegten Tieren das Fell ab und verkaufen es. Außerdem fangen sie Fische im Fluss.«
»Und was machen sie mit der schwarzen Schmiere, die es dort gibt, wie Ihr sagt?«
»Eigentlich nichts. Es wäre schwierig, sie zu verkaufen. Wen würde es schon interessieren, ein so schlecht zu beförderndes Produkt zu erwerben? Mir schickt er manchmal ein bisschen davon in einem Schlauch, und so erspare ich mir den Kauf von Lampenöl und Wachskerzen.«
Martís Kopf arbeitete so lebhaft wie ein Schmiedegebläse.
»Hassan, ich bin Katalane und Kaufmann. Ich bin hergekommen, um Kupfer zu kaufen, das ich auf der nächsten Fahrt eines Schiffs, dessen Teilhaber ich bin, an Bord nehmen will. Ich wäre Euch ewig dankbar, wenn Ihr mich mit Eurem Bruder in Verbindung bringen könntet. Ich würde gerne diese schwarze Flüssigkeit kaufen, von der Ihr offenbar nicht viel haltet. Ich glaube, im Abendland ließe sie sich gut gebrauchen, und das würde einen guten Gewinn für Euch, Euren Bruder und mich abwerfen.«
»Wenn ich Euch irgendwie vergelten kann, was Ihr heute Nacht für mich getan habt, dürft Ihr es schon als erledigt ansehen. Wo und wann kann ich Euch sehen?«
»Morgen fahre ich nach Pelendri,
Weitere Kostenlose Bücher