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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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aber übermorgen komme ich zurück. Ich bin im Minotauros eingekehrt, und ich werde meine Fahrtroute nur deshalb ändern, damit ich mich mit Eurem Bruder treffen kann.«
    »Es wird mich über alle Maßen freuen, wenn ich Euch bei Euren Unternehmen helfen kann.«
    »Also, Hassan, wenn meine Sachen trocken sind und wenn Ihr Euch
stark genug fühlt, gehe ich zu meiner Herberge. Morgen erwartet mich ein harter Tag, und ich möchte eine Weile schlafen.«
    »Geht in Frieden, und möge der Gott Eures Glaubensbekenntnisses mit Euch sein. Bei Eurer Rückkehr bekommt Ihr den Brief für meinen Bruder.«
    Hassan wartete, bis sich sein Retter angezogen hatte. Als er fertig war, umarmte er ihn fest und gab ihm drei Küsse auf die Wangen. Dann begleitete er ihn zur Straße und empfahl ihm, um diese Zeit besonders vorsichtig zu sein. Martí tastete nach dem Griff seines Dolchs und antwortete, danach werde er sich richten. Als sich die Schritte des Katalanen in der Nacht entfernten, drehte sich Hassan um und zog sich in seine kleine Kammer zurück. Unterdessen beobachtete der weiße Mond, der ewig neugierige und stumme Zeuge der menschlichen Abenteuer, spöttisch von oben, wie dieser junge Mann fortwährend mit dem Schicksal rang, um sich die Hand seiner Geliebten zu verdienen.

48
    Vilopriu
     
    E s war der Frühling des Jahres 1054. Die alte Gräfin Ermesenda durchforschte ihre zahllosen Erinnerungen. Wie Gespenster aus der Vergangenheit tauchten vor ihr die Gesichter all jener auf, die schon Charons Nachen bestiegen hatten und ihr auf der letzten Reise vorausgegangen waren. Ihre Eltern, Roger I., der Herr von Carcassonne, und Adelaida von Gavaldà, ihr lieber Gemahl Ramón Borrell, der sie 1018 als Witwe zurückgelassen hatte, ihr Sohn Berenguer Ramón der Bucklige, dessen körperliches Gebrechen sie so viele Tränen gekostet hatte. Borrell und Estefanía, ihre anderen Kinder, ihre Brüder Bernat, Ramón und vor allem ihr lieber Pere, der ihr als Bischof von Gerona und zusammen mit Abt Oliba so viele und so treue Dienste geleistet hatte. Zweimal hatte der Tod der anderen ihr Schicksal bestimmt. Als Erstes der ihres Gatten, denn er war an den Wunden gestorben, die er sich beim zweiten Feldzug nach Córdoba zugezogen hatte. Das geschah während der Minderjährigkeit ihres Sohns, und darum musste sie die Regentschaft übernehmen. Als ihr Sohn starb, war sie gezwungen, die Rechte ihres Enkels zu schützen und zum zweiten Mal die Regentschaft auszuüben, was ihr so viele und so große Unannehmlichkeiten eingebracht hatte. Alle entschwanden wie weiße Spukgestalten auf dem schmalen Pfad ihrer Erinnerungen und nahmen jedes Mal ein Stück ihres Lebens mit. Der Herrgott erhörte schließlich nicht ihre Gebete, obwohl sie ihn allmorgendlich bei der heiligen Messe bat, sie zu sich zu nehmen, weil sie meinte, dass ihr Gang durch diese Welt abgeschlossen sei: Sie hatte ihre Arbeiten und Tage schon mehr als ausreichend vollendet. Während ihres langen Lebens hatte sie über einhundertdreißig Klöster gegründet, war nach Rom gereist, hatte mit dem Papst gesprochen und die Exkommunikation ihres Enkels und seiner Beischläferin ausgehandelt. Wahrhaftig, sie glaubte fest daran, dass ihr Gott endgültige Ruhe schuldig war.

    Dann aber richtete sie die Gedanken auf den gegenwärtigen Augenblick, in dem sie kurz vor einem Schritt stand, der für die Grafschaften, die sie als Erbe ihres Gemahls erhalten hatte, entscheidend sein sollte.
    Der nach schwierigen Beratungen ausgewählte Ort war die Burg von Vilopriu. Die Vertreter der Gegenseite hatten zuvor beinahe alle für die Begegnung vorgeschlagenen Orte beanstandet. Almodis de la Marche, die Konkubine ihres Enkels Ramón Berenguer, wollte ihre Macht und den Einfluss zeigen, den sie über Ramón gewonnen hatte, und so wagte sie es, alle Angebote zurückzuweisen, die die bisher so mächtige Gräfin von Gerona und Osona unterbreitet hatte. Schließlich war die Wahl auf die Festung Vilopriu an der Grenze des Einflussbereichs von Gerona und Ampurias gefallen.
    Roger de Toëny als Abgeordneter Ermesendas und Gilbert d’Estruc als der von Almodis hatten die Bedingungen des Treffens vereinbart. Man hatte sich auf den Bischof Guillem von Balsareny geeinigt, um die Unterredung zu leiten. Beide Frauen setzten bei diesem gewagten Unternehmen viel aufs Spiel. Darum hatten sich beide über ihren Stolz hinweggesetzt und schließlich die Begegnung akzeptiert. Die Tatsache, dass sich Almodis mit dieser bescheidenen

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