Das Vermächtnis des Martí Barbany
Burg einverstanden erklärte, die sich in viel größerer Nähe zu Gerona als zu Barcelona befand, ließ sich dadurch ausgleichen, dass man beide Thronsitze auf gleicher Höhe aufstellte und dass außerdem sie den Gesprächsraum als Zweite betrat: Wer also warten müsste, wäre demzufolge Ermesenda.
Diese war mit ihren Truppen in der Nacht zuvor eingetroffen. Am nächsten Tag und zu dem im Voraus festgesetzten Zeitpunkt verlangte Almodis’ zahlreichere Streitmacht Einlass am Fallgatter der Festung. Nach der vorschriftsgemäßen Ruhepause war der Saal, in dem die Unterredung stattfinden sollte, zur sechsten Tagesstunde, wie es Roger de Toëny und Gilbert d’Estruc vereinbart hatten, für das Ereignis hergerichtet. Im Hintergrund standen die beiden Throne, auf denen sich die beiden Gräfinnen niederlassen sollten, und auf einer niedrigeren Ebene befanden sich die Sitze für ihre Hauptleute. Zwischen beiden Thronen, den beiden Frauen gegenüber und von den übrigen Anwesenden abgekehrt, hatte man ein Pult aufgestellt. Von dort aus sollte der Bischof die schwierige Aufgabe wahrnehmen, als Leiter und Vermittler des Streitgesprächs aufzutreten. An jeder Seite gab es kleine Arbeitstische mit den nötigen Utensilien, damit zwei Schreiber, die beide streitenden Parteien ausgewählt hatten, alles getreulich aufzeichnen konnten. Eine Seite war
ganz mit den Bannern Geronas und Osonas und die andere mit denen Barcelonas und der Marche behängt. Bevor die Gräfin von Gerona eintrat, wurden, wie vereinbart, die Truppen beider Parteien entwaffnet und die Schwerter und Dolche dem Burgherrn übergeben, der das Vertrauen beider Gesandtschaften genoss. Die Hauptleute und der Bischof nahmen ihre Plätze ein. Die zwei Schreiber stellten sich an ihre Schemel. Alle warteten schweigend auf den Einzug der beiden Herrscherinnen.
Feierlich und majestätisch, schwarz gekleidet und mit dem gräflichen Diadem, wie es ihrem Rang entsprach, trat Ermesenda ein. Während sie sich auf den rechten Thron setzte, nahm eine Dame ihren Mantel in Empfang. Sie saß steif, mit geradem Oberkörper da, ohne sich auf die Rückenlehne zu stützen, und ihre juwelengeschmückte rechte Hand ruhte auf dem Arm des Thronsitzes. Almodis ließ einige Augenblicke auf sich warten, um allen zu zeigen, dass sie entschied, wann die Unterredung stattfand. Mit der herrschaftlichen Würde der Königin von Saba, in einem roten Kleid mit einem silbergrauen Überrock, die Haare mit einem perlenbesetzten Netz bedeckt, schritt sie zwischen den Anwesenden hindurch. Sie war sicher, dass sich die alte Gräfin, wenn sie zu ihr gelangte, vom Thron erheben würde, um sie zu begrüßen. Eine vergebliche Hoffnung. Ermesenda, als wäre Almodis ihre erste Hofdame, sah ihr zu, wie sie die Stufen zu ihrem Thron hinaufstieg. Dann wandte sie den Kopf ab und verlangte von ihrem Pagen einen Fächer, ohne ihrer Rivalin einen einzigen Blick zu gönnen.
Das Schweigen war mit Händen zu greifen. Niemand wagte es, auch nur zu husten. Der Bischof eröffnete die Sitzung.
»Alle Anwesenden mögen sich erheben.«
Zurückhaltendes Murmeln, das Scharren der Stühle auf den Bodenbrettern und Kleiderrascheln begleiteten die Stimme des Geistlichen.
»Wir beginnen die Zeremonie, indem wir den Heiligen Geist bitten, dass er unseren Geist erleuchte, damit wir die Verhandlungen, die wir nun beginnen, erfolgreich beenden können. So sollen sich denn zum Wohl der Christenheit und der hier und jetzt vertretenen Grafschaften hochherzige Absichten gegen eitlen Egoismus durchsetzen.«
Hierauf blickte er nach oben und intonierte mit seiner klangvollen Stimme das Angelus, und alle Anwesenden schlossen sich ihm an.
Dann nahmen die zwei Gräfinnen gleichzeitig ihre Thronsitze ein, und gleich danach setzten sich auch andere Anwesende, während sehr viele, die keinen Sitzplatz hatten, an beiden Seiten des Saals stehen blieben.
Der Prälat eröffnete die Zusammenkunft, indem er hervorhob, wie bedeutungsvoll die Vereinbarung war, die man erreichen wollte. Er überließ der Gräfin von Barcelona das Wort, die maßvoll und zurückhaltend ihre Argumente darlegte. Sie schickte einige Präambeln voraus, bevor sie direkt auf das Thema einging, das sie so sehr interessierte.
»Gräfin, ich bin hier als Vertreterin Eures Enkels, des Grafen Ramón Berenguer I., weil ich versuchen will, zu Kompromissen bei verschiedenen Punkten zu gelangen, die die Zukunft Barcelonas betreffen.«
Ermesenda, steif und feierlich wie eine
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