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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Überlegungen hatten ihn wie ein Messer im Innersten getroffen. Die bloße Möglichkeit, dass Laia eines Tages aus seinem Leben verschwinden könnte, peinigte ihn. Niemals, nie und nimmer, wollte er zulassen, dass so etwas geschah! Er müsste es so einrichten, dass er jede Schmeißfliege verscheuchte, die es wagte, seine Stieftochter zu belästigen, und eines Tages, eines seligen Tages, würde sie ihm gehören.
    Die Nacht senkte sich herab, und das Himmelsdach überzog sich allmählich mit Sternen, während den Geist des Ratgebers schwarze Vorahnungen heimsuchten. Als die Zeit herangekommen war, machte er sich bereit, die Handlungen auszuführen, die ihn jeden Tag zwanghaft beschäftigten. Ohne dass er es auch nur merkte, hatte er seine Stellung bezogen und lag auf der Lauer, nachdem er schon das Guckloch freigelegt hatte, und nun wartete er darauf, dass sich das Mädchen auszog. In dieser Nacht hatte Laia offenbar keine Eile, ins Bett zu gehen. Sie lief durch den Raum, und auf einmal ging sie zu einem Schreibschrank, der sich in einer Ecke ihres Schlafzimmers befand. Sie setzte sich auf den davorstehenden Schemel und zog eine der kleinen Schubladen auf. Sie drückte dann auf eine Feder, und das rechte Brettchen sprang auf. Nun steckte Laia ihre Hand in die Öffnung und holte ein kleines Kästchen hervor. Bernat beobachtete, dass an einem Lederband neben einer Medaille der Heiligen Jungfrau ein Schlüsselchen hing. Das Mädchen steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch des Kästchens und nahm mehrere Briefe heraus.
Erstaunt und wütend beobachtete Montcusí, wie Laia die Briefe lange las und ihre Lippen daraufdrückte, um sie danach wieder ins Versteck zurückzulegen. Vom Zorn überwältigt, wollte der Ratgeber schon seinen Spähposten verlassen, doch die junge Frau entkleidete sich nun, und die Libido siegte über die Wut: Gleich einem Raubvogel, der seine Beute erwartet, verharrte er ruhig. Wie zwei Blütenknospen erschienen Laias rosige Brustwarzen. Er hielt es nicht länger aus: Er schloss das Guckloch und ergoss sich auf dem Dielenboden.

47
    Schwarzes Gold
     
    A ls Martí die hin- und herschwingende Tür aufstieß, umfing ihn ein gewaltiges Getöse. Das Wirtshaus war ein Backsteingebäude, das früher als Schiffswerft gedient hatte und dessen hohe, bogenförmige Zimmerdecken von einer endlosen Säulenreihe getragen wurden, was den Lärm noch verstärkte, weil alle Geräusche davon zurückgeworfen wurden. In der Goldenen Muschel herrschte ungeheures Gedränge. Um sich verständlich zu machen, brüllten die Gäste von Tisch zu Tisch, wobei sie einander mit obszönen Ausdrücken bombardierten, und die Anweisungen, die die Kellner zu den Küchenherden hinüberschrien, bildeten die Hintergrundmusik des Raums. Vier Musiker trugen zum allgemeinen Wirrwarr bei: Sie standen auf einem Podium im Hintergrund und versuchten mit ihren Saitenund Blasinstrumenten, die Gäste zu unterhalten.
    Martí suchte nach einem Kellner, der ihm einen Platz zuweisen konnte. Ein Angestellter in Hemdsärmeln, der sich von den übrigen unterschied, weil er eine grüne Schürze umgebunden hatte und einen roten Fes trug, an dem eine violette Quaste baumelte, lief ihm entgegen.
    »Möge Allah der Barmherzige Euch behüten. Was wünscht Ihr, mein Herr?«
    Aus der Begrüßung und Kleidung schloss Martí, dass ihn ein Muslim angesprochen hatte, und darüber wunderte er sich nicht, denn er erinnerte sich daran, dass ihm Basilis schon im Voraus gesagt hatte, Zypern sei ein Turm von Babel, weil so viele Kulturen auf der Insel geherrscht hätten. Ägypter, Griechen, Römer, sie alle hatten ihre Spuren hinterlassen. Außerdem dachte er an Baruch, der ihn darauf hingewiesen hatte, dass er in beinahe allen Mittelmeerhäfen die lateinische Sprache hören und sich in ihr verständlich machen konnte.
    »Einen abseits stehenden Tisch, wo ein müder Reisender etwas Ruhe
und eine Mahlzeit der berühmten Meeresfrüchte des Hauses genießen kann, wenn das möglich ist.«
    Der Maure klatschte dreimal kräftig in die Hände, und sogleich eilte ein Diener herbei, dessen wichtigste Kleidungsstücke eine weite Pluderhose, ein blauer, mit einem schwarzen Gürtel festgebundener Kittel und ein Fes waren, der im Unterschied zu dem seines Vorgesetzten eine grüne Farbe hatte.
    »Begleite den Frandschi in das kleine Zimmer im ersten Stock. Dort kann er sein Abendessen genießen: Wenn er will, beobachtet er durch die Luke, was in unserem großen Speisesaal vor sich geht,

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