Das Vermächtnis des Martí Barbany
hatte, aufzustehen.
»Schließ die letzte Zelle auf. Binde die Sklavin an die Kette, die von der Decke herunterhängt. Gib mir die Peitsche und geh nach oben, bis ich dich rufe.«
Der Mann vollzog eilig den Befehl seines Herrn.
Aixa ruhte auf ihrem Lager. Als sie den ungewöhnlichen Lärm hörte, fuhr sie erschrocken hoch. Ihre Zellentür sprang auf, als hätte sie ein wütender Sturm aufgestoßen. Der riesengroße Kerkermeister ergriff sie und kettete sie an einen Ring, der von der Decke hing.
Wieder erdröhnte Bernats Stimme. Aixa drehte den Kopf und sah, dass er in die Zelle kam und Laia mitschleifte. Da begriff sie, dass sie verloren war.
»Gib mir die Peitsche und verschwinde. Du haftest mir mit deinem Leben, dass hier niemand, ganz gleich wer, auftaucht. Ist das klar?«
Der Mann ging in seinen Winkel, nahm die Peitsche und gab sie seinem Herrn. Dann verließ er die Zelle.
Aixa drehte ihnen den Rücken zu. Ihr schlanker Körper zitterte wie Espenlaub. Angsterfüllt hörte sie Montcusís Stimme und das Knallen der Peitsche auf dem Boden.
»Nun gut, meine Liebe. Wie entscheidest du dich?«
Laia war verstummt. Plötzlich spürte Aixa, dass eine Hand ihr Kleid in der Nackengegend packte und zerriss, sodass ihre Schulter entblößt war.
»Wenn du bereit bist, deinen Teil des Vertrags zu erfüllen, sag es mir, und ich höre auf. Wenn du dich inzwischen unterhalten willst, indem du die Peitschenhiebe zählst, kannst du das tun.«
Die Sklavin spürte, wie ihr die Peitsche das Fleisch zerfetzte. Eins … zwei... drei, und die Reihe ging weiter. Nacheinander fielen die Hiebe.
Laia bedeckte sich das Gesicht mit den Händen. Jeder Hieb war ein Riss, der ihre Seele durchschnitt. Schließlich übertönte ihre Stimme das Peitschenknallen.
»Hoffentlich verfault Ihr in der Hölle. Nehmt mich, aber hört mit diesem Wahnsinn auf.«
Mit geschlossenen Augen ließ sich die junge Frau auf das Lager sinken.
Der Ratgeber keuchte, von der Anstrengung und Spannung erschöpft. Dicke Schweißtropfen perlten ihm von der Stirn und rannen ihm über das Doppelkinn. Aixa war in Ohnmacht gefallen und hing weiter an dem Ring, der ihre Handgelenke umschloss.
Als Bernat sah, dass sich seine Beute ergeben hatte, reagierte er wie eine wilde Bestie, mit einer Hand streifte er sich die Hose hinunter, und mit der anderen krempelte er Laias Röcke hoch. Als sie die schmierigen Klauen des Alten auf ihrem jungfräulichen Fleisch spürte, brach sie in Tränen aus.
57
Palastintrigen
A m Anfang des Jahres 1055, drei Monate nach der Entbindung, hatte Gräfin Almodis ihre Figur zurückgewonnen und war wieder die strahlend schöne Frau, die die wahnsinnige Liebe ihres Gemahls erregt hatte. Der alten Kinderfrau Doña Hilda hatte sie die Obhut ihrer Söhne anvertraut, und nun widmete sie sich wieder ihren Pflichten im Schloss und ihren Klosterbesuchen. Zwei Sorgen trübten ihr Glück, und beide hatten mit unterschiedlichen Personen zu tun.
Die Tür des gräflichen Schlafgemachs sprang auf. Ramón Berenguer, den die Leibesübung erhitzt hatte, die er gerade im Fechtsaal des Schlosses beendet hatte, fühlte sich in Hochstimmung, als er ins Zimmer stürmte. Er trug noch das Panzerhemd aus kleinen Metallringen, hatte jedoch den Kopf entblößt.
Almodis, die den Charakter ihres Gemahls gründlich kannte und wusste, wovon sie je nach den Umständen sprechen konnte, war entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen.
»Wie ist es Euch bei Eurem Vergnügen ergangen, die Waffen zu erproben, mein Gemahl?«
Ramón, der ein Limonadenfläschchen aus dem Schrank der Gräfin genommen hatte und daraus trank, setzte ab und antwortete, während er sich mit dem Handrücken die Rinnsale abwischte, die ihm durch den dichten Bart flossen: »Ich gebe zu, dass Marçal von Sant Jaume mit der Stechpuppe gut zurande kommt, aber er erträgt nicht, dass ich ihn mit Kurzschwert und Schild übertreffe, und er hat mich herausgefordert.«
»Gewiss habt Ihr gesiegt«, sagte Almodis in stolzem Ton.
»Ich habe den Preis gewonnen, und diesmal habe ich ihn auch verlangt. So lernt er, seinen Herrn zu respektieren. Seht, was ich Euch schenke.«
Berenguer warf seiner Frau einen Beutel mit Mancusos in den Schoß.
Almodis sah sich das Geschenk an und erklärte mit schmeichelnder Geste, wobei sie auf eine kleine Wunde an der Wade des Grafen zeigte: »Ramón, man hat Euch wieder verletzt. Warum benutzt Ihr keinen Schutz, wenn Ihr Euch zum Kampf entschließt, und selbst wenn es ein
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