Das Vermächtnis des Martí Barbany
uns anschließen, und dann könnten sich Martí und sie unterhalten, selbstverständlich in unserer Anwesenheit. Ihr wisst ja, was das Sprichwort sagt: ›Der Mann ist das Feuer, die Frau der Zunder, dann kommt der Teufel und bläst die Flamme an.‹«
68
Vor dem Abend
M artí war lange im Voraus in die Kathedrale gekommen, um Eudald abzuholen. Der Geistliche, der wusste, dass der junge Mann mit dem Ratgeber gesprochen hatte, wollte zunächst erfahren, was sich bei diesem Treffen ergeben hatte.
Wie ihm ein Ordensbruder gesagt hatte, wartete Martí auf Eudald in der Sakristei. Dieser erschien in einem schmucklosen Gewand. Allerdings stellte Martí fest, dass es aus neuem Sergestoff bestand und dass der Sakristan, der solche Aufgaben übernahm, Eudald den Bart geschnitten hatte.
»Ich sehe, dass Ihr Euch sorgfältig zurechtgemacht habt, Eudald.«
»Gewöhnlich esse ich nur im Refektorium, und ich habe schon seit Langem auf die Eitelkeiten dieser Welt verzichtet. Doch bei dieser Gelegenheit und Euretwegen wollte ich einigermaßen ordentlich aussehen. Aber setzen wir uns eine Weile, denn wir haben mehr als genug Zeit, und berichtet mir von Eurem Gespräch mit Montcusí.«
Der Domherr führte den jungen Mann zur hinteren Wand des großen Raums, und beide setzten sich auf lederbespannte Schemel – sie waren das Geschenk eines Söldners, der um das Jahr 1017 zusammen mit Llobet bei Córdoba gekämpft hatte, als Graf Ramón Borrell, der Großvater des jetzigen Herrschers, seine zweite Expedition unternahm, bei der er so schwere Wunden davontrug, dass sie ihn ins Grab brachten.
Martí antwortete: »Wie Ihr gewiss versteht, habe ich mich unruhig gefühlt, als ich zu Montcusí ging. Ein Mann weiß, wann seine Zukunft auf dem Spiel steht, doch am meisten kam es mir darauf an, alles zu erfahren, was mit Laia zu tun hatte. Der Ratgeber benahm sich sonderbar und bat mich, es ihm zu ersparen, von dieser schlimmen Angelegenheit zu sprechen, weil ihn das in sehr bittere Tage zurückversetze. Als ich weiter drängte, sagte er, er habe zwar gute Gründe, um zu vermuten, wer an
diesem Treubruch schuld sei, könne sich jedoch nicht dafür verbürgen und halte es auch nicht für günstig, die Angelegenheit noch einmal aufzurühren. Nach seiner Ansicht wollte Laia in ihrer Unbesonnenheit und jugendlichen Unerfahrenheit mit diesem Mann spielen, und dieser habe das Spiel für Einverständnis gehalten und sie entjungfert. Montcusí erklärte, er sei zwar Bürger Barcelonas, doch er wage es nicht einzugreifen, denn er glaube, der Schuldige an dem Unglück sei mit der Grafenfamilie von Barcelona verwandt, und es könne durchaus sein, dass er dem Grafen Ermengol von Urgell nahestehe, der, wie Ihr wisst, ein Vetter des Grafen Ramón Berenguer ist.«
»Und was noch?«
»Dann hat er sich hartnäckig geweigert, mehr zu erzählen, und mir zugleich geraten, dass ich darauf verzichten sollte, Laia auszufragen, denn er habe festgestellt, dass seine Stieftochter, die ja gerade eine lange Krankheit überstanden hätte, gehetzt wirke und sogar in Fieberphantasien verfalle, wenn man das Thema anspreche. Er hat noch hinzugefügt, die Zeit heile alle Wunden, und er sei sicher, dass wir sehr glücklich werden.«
Nach einer Pause erkundigte sich Martí: »Was haltet Ihr von alledem?«
Pater Llobet dachte einige Zeit nach, und als der junge Mann weiter in ihn drang, antwortete er: »Extreme Situationen beeinträchtigen manchmal die geistigen Kräfte. Ich glaube, zunächst einmal müsst Ihr Eure Liebe sorgfältig bewahren und es der Zeit überlassen, dass die Wunden vernarben. Etwas sagt mir, dass Laia unschuldig ist, denn ich kenne sie gut. Lasst sie in Ruhe, und sie wird sich Euch offenbaren, wenn die richtige Zeit kommt und ihr Geist das Unglück verarbeitet hat, so wie sich die Blumen öffnen, wenn der Tau sie benetzt. Auf jeden Fall meine ich, dass sich hinter alledem etwas verbirgt, was mir entgeht... Aber macht Euch keine Sorgen, das Wasser findet immer eine Lücke, durch die es entweichen kann. Liebt Ihr sie?«
»Mehr als mein Leben.«
»Und seid Ihr weiter entschlossen, sie zu heiraten?«
»Gleich morgen.«
»Dann habt Geduld und wartet. Der Tag kommt, an dem sie selbst sich von der ungeheuren Bürde befreien möchte, die sie gewiss bedrückt. Habt Vertrauen.«
Zwischen den beiden Männern trat eine lange Pause ein. Danach berichtete
Martí seinem alten Freund, was sich bei dem Treffen noch ereignet hatte.
»Als ich ihm von meinem
Weitere Kostenlose Bücher