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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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herankommt, und mir hat er sogar gestattet, mit ihm zu sprechen.«
    »Aber mein Feind ist mächtig, und er wird in Barcelona von Wächtern beschützt.«

    »Der andere ist auch mächtig. Du musst ihm die richtigen Gründe liefern.«
    »Wie soll ich das von diesem Loch aus tun?«
    »Schick ihm einen Brief, in dem du die Tatsachen erklärst. Er wird entscheiden, was zu tun ist.«
    »Und wer kann der Bote sein?«
    »Ich erkundige mich, wann Oleguer Wachdienst hat, damit du zu ihm gehst. Ich bin sicher, dass er dein Kurier sein wird, wenn du ihn gut bezahlst.«
    »Und wie erfahre ich, dass er nicht mein Geld behält und den Brief wegwirft?«
    »Verpflichte ihn, eine Quittung mit der Unterschrift des Empfängers herzubringen.«
    Edelmundas verbittertes Herz schöpfte neue Hoffnung.

81
    Die bittere Neuigkeit
     
    D ie letzten Monate des Jahres 1057 waren für Ruth eine der glücklichsten Zeiten ihres Lebens. Die Tage vergingen auf wunderbar gleichmäßige Weise, und ihr genügte es, in der Nähe ihres Geliebten zu sein. Der einzige Nachteil war, dass sie ihre Mutter und ihre Schwester Batsheva nur selten sah. Ihr Vater, der wütend auf sie war, bestrafte sie durch sein Fernbleiben, doch das Leben bei Martí entschädigte sie für alle Heimwehgefühle. Martí gestattete ihr, ihn morgens zu begleiten, stets in der angemessenen Kleidung und mit Rücksicht auf den Ort und die Leute, die er besuchen musste. Die zwei Dinge, die dem Mädchen am meisten gefielen, waren zum einen der Weg zum Regomir-Tor und weiter zu den Schiffszeughäusern, in deren Höhe die Schiffe der Seehandelsgesellschaft ankerten, und zum anderen die abendlichen Gespräche, die sie mit dem Mann führte, der ihr Herz schon geraubt hatte, als sie ein kleines Mädchen war.
    »Merkt Ihr, wie unbeständig und launisch das Schicksal ist?«
    »Warum sagt Ihr so etwas, Ruth?«
    »Nach Eurer Rückkehr hatte ich nie genug Zeit, Eure Reisegeschichten zu hören, und jetzt bin ich die Einzige, die mit Euch darüber spricht. Es gefällt mir so sehr, dass ich in Eurer Welt leben kann und nicht von den Sitten meines Volks im Call festgehalten werde!«
    »Das ist für kurze Zeit. Euer Vater wird die geeigneten Mittel finden, damit sich die Wogen nach und nach glätten.«
    »Wie wenig kennt Ihr das jüdische Volk! Die Tradition ist ein schwerer Grabstein, der auf unserem Leben lastet, besonders auf dem von uns Frauen.«
    »In Eurer Religion gibt es wohltätige Traditionen. Es ist nur so, dass man es nie allen recht machen kann.«
    »Nennt mir eine davon. Seht Euch meine Schwestern an, die gehorsam
darauf warten, dass unser Vater seine Zustimmung zu Ehen mit Männern gibt, und dabei wissen sie nicht einmal, ob sie sie lieben oder nicht...«
    »Ich weiß bestimmt, dass Euer Vater wegen seiner Erfahrung und seiner Kenntnisse verständiger urteilen wird. Das Feuer der Leidenschaft, das alles verbrennt und das die Jugend leitet, ist ein flüchtiger Glanz. So etwas kommt auch bei meinen Leuten vor, ohne dass derartige Vorschriften wie bei Euch zum Gesetz erhoben werden, doch überaus mächtig wirkt die Last der Gewohnheiten. Und eine Gewohnheit wird im Lauf der Zeit zum Gesetz.«
    »Wollt Ihr damit sagen, wenn Eure schöne Liebesgeschichte in Erfüllung gegangen wäre, hätte sie mit einem Misserfolg geendet?«
    Ruths scharfsinnige Begabung für Streitgespräche, die sie gewiss von ihrem Vater geerbt hatte, verwirrte Martí, der trotzdem den ganzen Tag mit freudiger Erwartung auf den Abend und die anregenden Plaudereien mit seinem Schützling wartete.
    An der Terrassentür erschien Omars wohlvertraute Gestalt.
    »Darf ich eintreten, Herr?«
    »Das darfst du immer, Omar.«
    Der Maure kam näher und blieb wie gewöhnlich ein paar Schritte vor seinem Herrn stehen.
    »Was führt dich um diese Zeit her, während du stattdessen bei deiner Familie ausruhen solltest? Du erreichst noch, dass mich Naima, Mohammed und die kleine Amina hassen.«
    »Ihr wisst genau, gnädiger Herr, meine Familie fleht stets im letzten Abendgebet zu Allah, dass er Euer Leben viele Jahre behüten möge.«
    »Lange Zeit hätte es mir nichts ausgemacht, mein Leben zu verlieren, aber der gute Eudald hatte wie fast immer recht: Die schönsten Träume entschwinden in der Vergangenheit, und dafür kündigen sich neue an. Das Leben vermag viel.« Wenn Martí die Augen Ruths beobachtet hätte, wäre ihm aufgefallen, dass ihre Pupillen eigentümlich funkelten. »Nun gut, Omar, ich höre dir zu.«
    »Also, gnädiger Herr:

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