Das Vermächtnis des Martí Barbany
Mein Vaterherz blutet, weil ich meine Lieblingstochter verliere, aber andererseits hindert mich meine Pflicht als Dayan und außerdem als Vorsteher der Geldverleiher, eine Entscheidung zu treffen, die gegen die Vorschriften verstößt.«
»Niemand braucht etwas zu erfahren«, argumentierte Martí.
»Man hat es schon erfahren: Das hier ist eine kleine Gemeinde, und Klatschgeschichten verbreiten sich immer in Windeseile. Als meine Frau gestern von den nächtlichen Sabbatgebeten heimkam, hat sie mir erzählt, dass auf der Frauengalerie mehr als eine barmherzige Person zu ihr getreten ist, um sich nach Ruths Gesundheit zu erkundigen, denn sie haben angenommen, weil das Mädchen nicht bei einem solch wichtigen Fest anwesend war, müsse es wohl krank sein.«
»Was wollt Ihr dann tun?«
»Ich habe Angehörige in anderen Judenvierteln. Vielleicht finde ich Verwandte, die sie aufnehmen, selbst wenn sie bei ihnen als Magd arbeiten muss.«
»Baruch, verzeiht, wenn ich Euch sage, dass ich eine Religion nicht begreifen kann, die ein zufälliges Ereignis, das man niemandem zur Last legen kann, derart streng beurteilt.«
»Jetzt ist nicht die richtige Zeit, um ein Streitgespräch über die jüdische Religion zu beginnen, aber ich möchte Euch daran erinnern, dass Ehebrecherinnen nach den Geboten Eurer Religion immer noch gesteinigt werden. Ich darf die Vorschriften nicht übertreten, nicht einmal, um meine Tochter zu retten.«
Martí grübelte einen Augenblick.
»Verzeiht: Ich habe etwas gesagt, ohne nachzudenken, und dazu hat mich die Zuneigung gedrängt, die ich für Eure Kleine empfinde.«
»Ihr habt keinen Grund, mich um Verzeihung zu bitten. Nach dem, was in der Freitagnacht geschehen ist, bin ich Euch gegenüber stets zu Dank verpflichtet. Ich habe als Dayan zu Euch gesprochen. Mein Vaterherz wird immer unter diesem Kummer leiden, und ich muss versuchen, aus dieser schlimmen Lage herauszufinden.«
»Woran hattet Ihr gedacht?«
»Als Erstes will ich mit unserem gemeinsamen Freund Eudald Llobet reden. Ich vertraue seinem gerechten Urteilsvermögen und dem Einfluss, den er außerhalb dieser Mauern hat. Innerhalb des Call gibt es keine Lösung.«
»Wenn Ihr damit sagen wollt, dass die Schwierigkeit darin besteht, wo Ruth eine Unterkunft findet, während Ihr die entsprechenden Schritte unternehmt, so sage ich Euch, dass sie in meinem Haus immer ein Dach und Hilfe hat.«
Der Geldverleiher überlegte einen Augenblick, und Martí ahnte, dass er im innersten Herzen unschlüssig war.
»Ihr seid sehr liebenswürdig. Aber ich glaube nicht, dass dies eine gute Lösung für irgendjemanden ist.«
»Wirklich, Baruch, jetzt verstehe ich Euch nicht.«
Benvenist seufzte tief, als er antwortete.
»Martí, Ihr seid mein Freund und Teilhaber. Aber Eudald wird für Ruth eine vorübergehende Unterkunft finden. Wenn Ihr sie in Eurem Haus aufnehmt, obwohl sie Jüdin ist, bekämt Ihr es mit unendlich vielen Schwierigkeiten zu tun.«
»Baruch, was redet Ihr da! Wollt Ihr Eure Frau von ihrer jüngsten Tochter trennen? Wenn sie in meinem Haus ist, kann Rivka sie wenigstens besuchen.«
»Diesen Preis muss sie bezahlen...«, murmelte Baruch.
»Ich sage Euch noch einmal: In meinem Haus geht es ihr gut, und dort ist sie vor jeder Gefahr sicher. Ihr könnt sie so oft sehen, wie Ihr es wünscht, und ich möchte wissen, wer so unvernünftig ist, dass er es wagt, ihr schaden zu wollen. Ich will nicht unbescheiden sein, aber ich bin nicht irgendjemand, obwohl ich noch nicht das Bürgerrecht Barcelonas habe, und das gilt noch mehr, seitdem mir Gräfin Almodis ihr Wohlwollen bekundet hat. Glaubt mir, es gibt nicht die geringste Gefahr.«
Da Martí sah, dass Baruch zögerte, drängte er weiter: »Mein Freund, dabei steht meine Ehre auf dem Spiel. Ich schwöre, und dafür stehe ich mit meinem Seelenheil ein, dass ich für sie sorgen werde, als wäre sie meine Schwester. Vertraut sie mir an, Ihr braucht für sie keine andere Bleibe zu finden. Ihr könnt sie jeden Tag besuchen, wenn Ihr wollt. Ich gebe Euch mein Wort, dass sie die Straßen nicht außerhalb der erlaubten Zeit betreten darf, und selbstverständlich kann sie in ihren Räumen die Riten Eurer Religion befolgen.«
»Es gibt eine andere Schwierigkeit: Ihr seid ein unverheirateter Mann, und es wird immer Gerede geben. Wenn ich den Rest Ehre bewahren will, der meiner Tochter bleibt, muss sie unter der strengen Aufsicht einer Anstandsdame stehen.«
»Auch das ist kein Problem. Caterina,
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